Ich wünsche mir vor meines Lebens Erblindung
Noch so etwas wie eine Eiscremeerfindung.
Etwas Nützliches, dass dem Genusse entspringt -
Etwas Nutzloses, dass sich als Must-have verdingt.
Ein Gewöhnung verpönendes Mahl des Verwöhnens,
Ein unübergehbares Mal des Versöhnens,
Unwiderlegbar als "Is the world nice?!"-Meme -
Kurzum, ein bisschen so etwas wie Eiscreme.
So 'ne Erfindung der Welt hinterlassen,
Als letzter Akt vorm finalen Erblassen,
Irgendwie etwas wie Eiscreme vererben ...
Gut, man kann friedlich auch ohne dies sterben.
Doch das als ein Restzielchen nicht aufzugeben -
Das ist letztendlich mein Anspruch ans Leben.
Die allererlauchtigste Ananasklasse -
Sie haucht sich durch all meine Kaumuskelmasse
Als historischer, multigeschmackstoller Sieg.
Manch Fadheit gab Anlass zur Ananasnachsicht,
Nun stillt die Papillen ein Thrill named "Verzag nicht!",
Denn diese Frucht wuchtet ihr voll fantastique.
Das Altmaß krass schassende Ananasklassen
Lassen anderswo anstandslos alles erblassen!
Mein verpanikter Blick in Speisekarten
Flickt sich zäh sein Menu. Wie lang wird der Wirt warten?
Immer gibt es dort Worte, die mir nicht bekannt,
Ich berechne die Werte, die rechts lauernd am Rand -
All das drängelt in meine Entscheidung mit rein,
Bis zur drohenden Frage: "Was darf's denn dann sein?"
Das Spielfeld zu groß und die Felder zu zahlreich -
Den Einsatz verlier'n durch die flascheste Wahl? Leich-
ter wär's mit der Einsicht, dass man noch entdeckt
Und nicht vorab wissen kann, was uns noch schmeckt.
In einem Restaurant mit Punkmusik gediegen zu speisen -
Ich will nie wieder sagen, nichts hätt‘ sich bewegt!
Ja, mag sein: Auf uns nicht tief bewegende Weisen -
Dennoch wird Nicht-Erwartbares längstens gepflegt.
Und die Welt trägt Tattoos , färbt sich wild ihre Haare,
Tippelt Schritte, die ich Tolldreister niemals gewagt!
Ich seh‘s aus dem Sumpf altvergangener Jahre,
Verstreue mein „Ich hab‘s ja immer gesagt!“.
Aber nirgends heißt‘s: „Interessant, lass ma hören!“ -
Unsre früheren Kämpfe, sie bleiben perdu.
Wir wollten einst, können heute: nur stören.
Zu einsam für ein wirklich schönes Lokal,
Sitze ich froh nun im Stilkompromiss.
Ich bin mir für jeden Genuss zu egal -
So ohne Company der Miss.
Die halbschönen Sachen sind dann mein Verwöhnen,
Das "da schau her, na immerhin!" -
Für die Spitze und ihr heit'res Heiteitei löhnen,
Macht ohne dich so gar kein'n Sinn!
Mag nicht die Höhen des Geschmacks
Im Einzelgang erklimmen.
Und so genieß' ich etwas lax -
Und lass es preislich stimmen.
Es krönt dieser Baum seit Dekaden Salat,
Bedippt und beträufelt das fadeste Brot,
Ölt alle Versorgungslast fruchtig-apart -
Verlässlich der Gütegrad, den er stets bot.
Wie vor uns werd'n folgende Generationen
Erwägen, ob sich die Erträge noch lohnen.
Scheint nicht ein schlechter Jahresschnitt
Allein mit dem, was war, schon quitt?!
Mal fällt diesen Baum ein zu schneller Entschluss,
Als sei's um das Holz sonst zu schade.
Dann hält die Erinn'rung zwar noch den Genuss,
Doch rundherum schmeckt es längst fade.
Alle Rechte bei Claudia Marx, die das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 erstanden hat.