Ripostegedichte

Antwortgedichte zu Werken der großen und kleineren Poesie. Inspiriert von den Federn der anderen, monatlich vorgetragen in der Rubrik "Parade und Riposte" der Lesebühne Poetry & Parade - an jedem dritten Donnerstag im Pelkovenschlössl in Moosach.

Bergevangelen & das zweitausendfünfhundertsiebenundfünfzigste Gedicht

Die evangelische Kirche in Kochel am See

Ripostegedicht auf "Gottes Wille" von Richard Dehmel

Die sündenfällige Schöpfung einer Hautunreinheit oder …und am achten Tag erschuf Gott, der Herr, den Pickel

Du hast nach Dehmel'schen Rat in den Apfel gebissen,
Mit der dämlichen Tat es beim Schöpfer verschissen,
Oh Eva! Da in dieser Not
Des Sündenfalles Fallbeil droht,
Bitt' ich beim Ärger mit dem Alten
Zumindest mich herauszuhalten!

Wir war'n im Paradies a Paar -
Und sicher war dies wunderbar,
Doch nach der Ära Love & Peace
Wird aus dem Paar- a Solodies.
Denn kaum lief's in der Wildnis nach deiner Fasson,
Riecht's am Baum der Erkenntnis nach Umzugskarton!

Ey, du wusstest doch: Unsre Pflicht ist's zu entsagen!
Und entsprechend nicht hinnehmbar ist dein Betragen -
Da kannst du, mein Gott, gerne irgendwen fragen!
Für den Biss sind gewiss Konsequenzen zu tragen -
Gegen mich besteh'n dagegen gar kein Klagen.

Nun mag ich ob der Trennung nicht zu sehr verzagen,
Dich allerdings ob der auch zukünftig kargen
Versorgungslagen mal wagen zu fragen:
Ich würde gern noch jenen Apfel ab-nagen,
Denn seit Tagen verwehrt blieb's Behagen im Magen -
Und wir müssen dem Herrgott ja nichts davon sagen!

Doch im Büßergewande erkenn' ich entsetzt:
Irgendwer hat meinen Imbiss dem Herrgott gepetzt!
Aber ich war nicht Initiator – ich hab nur mal probiert!
Was den Herrn in der Höh scheinbar nicht int'ressiert -
Denn um nie zu vergessen, dass er mich einst entlarvt,
Unser Schöpfer uns jung schon mit Mitessern straft.

Wurst-Gurken vor Schiller & das zweitausendfünfhundertvierte Gedicht

Gurken von Erwin Wurst im Furtwänglerpark in der Salzburger Altstadt vor der alten Universität mit Schiller-Denkmal

Crossover-Riposte auf "Ich bin erst kurz beim Fußballkampf gewesen" von K. Valentin und "Die Gurke" von I. Hoppe-Grabinger

Beim Fußballkampf der Gurken

Wenn unsre Gurkentruppe doch Bananenflanken schlüge ...!
Unter Fremdfans-Fahnen: Des Entsetzens blanke Züge,
Weil unsre Schurken-Gegner mal bekäm'n was auf die Rübe -
Und mir wär meine Birne nicht von Abstiegsängsten trübe.

Wie schafft man solch Gegurke mit Tomaten vor den Augen?
Ach, würd vom Junggemüse doch ein einz'ger Sprößling taugen!
Der Trainer kreischt: "Du Lauch, nimm dir die Bohnen aus den Ohren!"

Wie stets hat unser Gurkentrupp dann höchst verdient verloren.

Kalkgraben & das zweitausendvierhundertvierundneunzigste Gedicht

Am Ende der Brahmspromenade Tutzing vorm Midgardhaus

Ripostegedicht auf "Der Radwechsel" von B. Brecht

Der Radwechsel 2024

Ich sitze am Smartphonefeed.
Mein Radar kommt auf Fahrt.
Ich kann mir nichts leisten, wenn die Preise fallen.
Ich kann mir nichts leisten, wenn die Preise steigen.
Warum sehe ich den Zeitenwechsel
Mit Zukunftsangst?

Alle Möwen Evelyn & das zweitausendvierhundertachtundzwanzigste Gedicht

Möwe @ Varadero Beach

Ripostegedicht auf das Buch "Lob der Faulheit" von K. Kusenberg

Evelyn Dahm, 15. VII. 61 (eine Signatur)

Im Buch der Faulheit, Evelyn,
Hast du nicht viel gelesen!
Du bist, drum gibt’s auch nichts zu süh'n,
Hierzu zu faul gewesen.

Was bringt man im Detail noch bei
Den'n, die schon alles kennen?
Vom Drang nach Überbieterei
Gilt's hier sich doch zu trennen!

Im Faulsein kann nur Meister sein,
Wer nie danach gestrebt.
Denn jeder Eifer schläft gleich ein,
Sobald man Faulheit lebt.

Es gibt ja durchaus viel Facetten,
Die zu beleuchten wären -
Doch braucht dies Zeit, die wir gern hätten,
Um Faulheit zu vermehren.

Wer sagt, er sei besonders faul,
Macht sich sogleich verdächtig.
Wer wirklich faul ist, hält sein Maul -
Des so Verübtens mächtig.

Ich glaube, Evelyn begriff,
Dass Faulheit dem entschwindet,
Der sie verwöhnt mit letztem Schliff,
Sich bis zur Krönung schindet.

Drum hat sie auch das Buch markant
Als ihr Revier markiert -
Doch ganz im Sinne, was drin stand,
Den Inhalt ignoriert!

Treibholz & das zweitausenddreihundertfünfundachtzigste Gedicht

Stillleben in den Isarauen

Ripostegedicht zum "Tango Korrupti" von Rainhard Fendrich .

Das ständig tänzelnde Tangoru

Fragt man dich: Na, wo willst du mal hin?
Sagst du: Australien.
Doch weil du Bayer bist,
Siehst du snur eine Meute Stiere
Statt Beuteltiere -
Was echt zum Reihern ist!

Du schwärmst, die Faunawelt Down Unders
Säh so sehr anders
Und nach Vollendung aus.
Doch kennst der Tiere Eigenheiten
Aus alten Zeiten
Der Sendung mit der Maus.

Ja, auf den Weiden und der Alm hat's
Halt keine Wombats
Und auch kein Känguru
Man hört der Landwirte Gebäuer
Und Wiederkäuer
Und alle machen Muh!

Aber in der Stadt im Zoo
Gibt's zumindest irgendwo
Ein Gehege, das der Pflege einer Käng'ruherde dient

Refr.: Und wenn ein Känguru bespuckt di,
Entflieh solch Gängelei und duck' di
Glaub nicht, der frechen Tiere Speichelei
Sei Schmeichelei – Kerl, guck die Viecher an:
Die stamm'n, so wie sie sich gewanden,
Statt von Down Under aus den Anden!
Trotz der Exotik ihres Karmas - san das ganz normale Lamas!

Du schwärmst beständig von Australien
Doch du weißt, dahin
Ist es ein weiter Weg.
Und du beteuerst die Koalas,
Die ham total was
Sind flauschig, süß und träg.

Auch deren Nahrung Eukalyptus
Hat soviel Rhythmus,
Der in der Sehnsucht weckt.
Jedoch statt Ozeaniens Zonen,
Wo diese wohnen,
Hast du den Zoo entdeckt.

Denn die hab'n ein Känguru,
Dessen Anblick reicht, dass du
Die Ausstrahlung von Australien mit einem Mal verspürst.

Refr.: Und wenn ein Känguru bespuckt di,
Entflieh solch Gängelei und duck' di
Glaub nicht, der frechen Tiere Speichelei
Sei Schmeichelei – Kerl, guck die Viecher an:
Die stamm'n, so wie sie sich gewanden,
Statt von Down Under aus den Anden!
Trotz der Exotik ihres Karmas - san das ganz normale Lamas!

Kanalwächter & das zweitausenddreihunderteinundsiebzigste Gedicht

Blick aus dem Ca' d'Oro auf den Canale Grande

Ripostegedicht zu Heinz Erhardts "Die Made".

Der Marder

Unter eines Ladas Haube
Nagt der Klan der Marder Taube

Vaters Bauch wär nicht so'n leerer,
Wär'er nicht Alleinernährer.

Doch

Marder-Mama war einmal -
Hängt schon längst am Marderpfahl.

Nach dem Mahl mahnt Vater Marder:
„Warte grad ma hier am Lada!
Küken-Kuchen als Dessert
Bring ich zum Verzehr noch her!
Bleib du, Madel, brav im Lande -
Ma' ma Papa keine Schande!“

So sprach Vater und entwich
Marders Mädel aber schlich
Zu dem Lada-Ladekabel
Kappt's mit seinem Marder-Schnabel.
Nach hartem Schlag der Varta-
Batterie briet da am Lada
Ein bald gut gegarter Marder!
Klar, dank derart Bratgrad-Hader
Barst die zarte Halsschlagader -
Wie erwartbar naht da'n Marder
Gradewegs dem Pfad ins Nada. Schada.

Vater Marder sah die Kleine
Denkt: „Nu gilt's, den Küken-Kuchen
Augenblicklich umzubuchen!
Den ess ich jetzt alleine!“

Kubareiher & das zweitausendzweihundertsechsundsiebzigste Gedicht

Fischreiher am Strand von Cayo Santa Maria

Crossover-Ripostegedicht zu R. Gernhardts "Vom Fuchs und der Gans" und "Sie war ein Blümlein" von W. Busch.

Vom Fuchs und der Gans und dem Blümlein und Esel (Die Heuschrecken)

Gewöhnlich nennt man Fuchs und Esel
Je störrisch und gewitzt.
Was die zu zweit sich einverleiben,
Gilt vorab als geritzt.
Denn
Beharrlichkeit und Raffinesse
Verehrt man als Erfolgsfaktoren.
Was deren Beißerchen zerreiben,
Das ist als Entität verloren
Und wird vom Subjekt zum Projekt,
Das all den Investoren schmeckt.

Nach satter Übernahmewut,
Ner reichlich ungestüm'chen,
Werd'n Gans und Blume neues Gut,
Beworb'n als Gänseblümchen.

Ein verheißungsvolles Top-Produkt:
Die Softness der Daunen, von Blüten der Duft ...
Doch
Was vom großen Maul geschluckt,
Gedeiht in dessen Magengruft,
Zum Einheitsbrei – und is
Am Ende bloß Beschiss.

Model & das zweitausendzweihundertdreiundfünfzigste Gedicht

Nicole Eisenman. What Happened im Museum Brandhorst

Crossover-Ripostegedicht zu Tucholskys "Das Ideal" und den Heidi-Klum-Rant von Roger Willemsen.

Der Ich-Handel (The I-deal/Dimunitiv von "selten")

Ja, das möchste:
Du willst bei der Challenge heut voll überzeugen,
Dass all jene andren dich neidisch beäugen
Und Heidi kreischt fleischig vor Scheineuphorie,
Du hätt'st krass Personality
Und die Fashionwelt wird sich schon bald darum reißen,
Dich auf ihren Kampagnen willkommen zu heißen.

Du schwebst vom Walk auf Wolke Sieben,
Bist dabei ganz du selbst geblieben,
Gibst dich dem Netz in Gänze hin
Als mega! Influencerin,
Bekommst von dort so viel zurück:
Ein tausendfach geteiltes Glück.
Ja, das möchste.
Aber,
in Wahrheit wirst du voll verheizt
Im Tollhaus, das mit Chancen geizt,
Verkackst im Kreis beknackter Grazien,
Verlacht als Wackelkandidatin,
Die beständig, unbändig und flehentlich flennt
Vor gemeinen Designern, die eh keiner kennt.

Letztlich fehlt dir das Foto zum Model-Champ,
Du hoffst noch auf das Dschungelcamp
Und hangelst fesch von „Au!“ zu „Au!“
Durchs Dickicht dich vom Trash-TV.

Doch wie sehr man sich auch engagiert,
Dass man sich dann noch etabliert
Vorm bösen Ansturm erster Fältchen
Das
Ist seltchen.

Ausguck & das zweitausendzweihundertneununddreißigste Gedicht

Blick vom Fondaco dei Tedeschi auf den Canale Grande

Crossover-Ripostegedicht zu Rilkes "Wenns Frühling wird" und "Karneval" von W. Busch.

Im Frühling, zu Karneval

Wenn sich die Narren und Vernarrten
Im Faschingsrausch zusammenschließen
Und frühe Paarungsträume sprießen,
Die Säfte in die Schäfte fließen,
Konfettis aus Kanonen schießen,
Will ich mein Innerstes begießen
im Biergarten.

Nun schunkeln sich die Unbepaarten
In unmaskiert beschwipste Tänzchen,
Umwedelt von betrunk'nen Schwänzchen,
Bedrängt das Schnaps-statt-Kaffeekränzchen
Kamelien- und Kamellepflänzchen.
Was blüht hier wem beim zarten Lenzchen
im Biergarten?

Wenn heimwärts wir durch Trübsinn waten,
Gestützt von andren Kotztümierten
Und Luftgeschlängelei-Verzierten,
Zähl'n wir, die so nach Frühling gierten,
Zu vorschnell in den Herbst Verirrten
Samt Hausverbot bei vielen Wirten
von Biergärten.

Zweitgarderobe & das zweitausendzweihundertdreiundzwanzigste Gedicht

Umrankter Baum im Botanischen Garten München

Ripostegedicht zum Text "Natur" von Robert Gernhardt

Korrektur der Schieflage (Mensch-Baum-Gefälle)

Es legt beim Menschen-Baum-Gefälle,
Steht man vorm Fall an fal(l)scher Stelle,
Der fall'nde Baum den Fäller um
(klar, das gefällt dem Publikum ...).

Jetzt, da sich beide nicht mehr regen,
Beschließen Sägen, letzte Segen
Die Daseins unter freier Luft -
Es geht gemeinsam in die Gruft:

Ein Schreiner flext das Baumgebein
Zum bettgerechten Bretterschrein,
Und was vom Mensch man zsammgeharkt,
Wird dann in jenem eingesargt.

War einst dem Mensch der Baum ein Gast,
Gibt jener jenem nun ein Heim.

Fällt euch was auf? - Das klingt doch fast
Wie'n gefällig
Sich schließender,
Astreiner Reim.

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