Haus & Heimat

Gedichte, die dem Thema Heimat und dem Zuhause sowie der Wohnung nebst Interieur zuzuordnen sind.

Aaltostrom & das zweitausenddreihundertundsiebzehnte Gedicht

Aalto-Theater in Essen mit Nachbarschaft

Unter Essen

Meine alte Hood untergrundbähnlich zu queren
Und ihr irgendwie schändlich den Rücken zu kehren,
Zeigt, wie sehrstens entleert meine Seele schon ist
Und wie wehrlos sich manch eine Ära vergisst.
Da all ihr Wert nährt ein gemeines Verrinnen
Im Zärteln der Mär, es tät Neues beginnen.

Schoch tauch ich hier ab mit der Zeit, die ich habe -
Auch leidlich bereit für den Ausblick im Grabe.

Ausgeflogen & das zweitausenddreihundertunddreizehnte Gedicht

Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

Schönen Gruß an den Nachmieter

Normalerweis' bin ich zu Amei-
Sen doch eher gräuslich -
Heut scheiß ich drauf, weil raus. Ja, mei,
Dann macht's euch hier fei häuslich
Und seid dem neuen Herrn am Herd
Sehr gerne eine Plage!

Lang fand ich euch bekämpfenswert -
Nun wünsch ich schöne Tage!

Abflugbereitschaft & das zweitausenddreihundertundzwölfte Gedicht

Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

Die Nachmieter

Schon sitzt die Waffenindustrie
Bei mir auf dem Balkon
Ich war so sehr "Mich trifft es nie!" -
Das hat man nun davon!

Die wringt jetzt bald ihr Pimmilein
In den verwaisten Bottich
Und etabliert das Unverzeih'n,
Malt alle Zukunft grottig.

Schon sitzt die Rüstungsindustrie
In meiner schnieken Wanne -
Zwar abgetaucht, doch sicher nie-
Mals eingeschäumt vom Funne,
Denn wir einst lieblich ausgekost'.

Jetzt bürstet sich der Rüstungsrost
An Herrn von Zu'stens Pimmilein.

Ich wärm mich an mein' ärmlich' "Nein!".

Wenn brünftig Euch auch Segen narrt,
Ihr Günstlinge der Gegenwart:
Das, was ihr mir genommen,
Berangt ihr nicht,
Verzwangt ihr nicht -
Ihr werdet's nie bekommen!

Neueinstieg & das zweitausenddreihundertundelfte Gedicht

Die noch jungfräuliche neue Wohnung

Die erste Heimfahrt

Das erste Mal Heimfahrt zum neuen Daheim -
Und die Frage im Ohr, ob der Weg mich schon kennt.
Ich fäd'le ja stets jede Zeile zum Reim,
Meine Eilfertigkeit spornt die Leeren an: "Rennt!"

Ja, es ist noch zu früh, um ein Mehr zu erahnen -
Werd vorerst kleine Schritte geh'n
Auf um Baugruben weiters zu ziehenden Bahnen
Im Glauben, mich hinauszuleh'n.

Telux & das zweitausenddreihundertundachte Gedicht

Am Soziokulturelles Zentrum Telux / Hafenstube auf dem Gelände der Glasfabrik in Weißwasser

Gentrifiziert

Und mit knisterndem Knackser knuspert zu dir
Der Taubenabwehrdraht.
Er nimmt deine Taubheit in spe ins Visier
Und bringt sich schon in Fahrt.

Ganz leise sirrt's: Die Stadt wird nie
Dich voll willkommen heißen.
Misstraue allen Lächeln, die
Vollkommen auf dich scheißen!

Du bist hier fremd und wirst's, verdammt,
Kein Leben lang hier bleiben!

Und aller Strom droht insgesamt,
Per Stoß dich zu vertreiben ...

Oberlausitzische Bibliothek & das zweitausenddreihundertundzweite Gedicht

Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz

Der Umzug

Vorm Umzug zieh ich mich noch um -
Schalt dann, ganz ungezogen,
Von schläuetreu auf neulingdumm,
Hab übend überflogen,
Was fortan nun mein Fort angreift,
Begreife, dass der Drive noch reift
Und längst noch nicht perfekt ist,
Doch dass der Keim vom neuen Heim
Winkt von der "Noch versteckt"-List.

Hasengraben & das zweitausendzweihundertfünfundachtzigste Gedicht

Der Hasengraben zum Heiligen See im Neuen Garten Potsdam

Retro

Die Sitzecke hat ausgedient,
Die Polster fast zerschlissen,
Die Schrankwand hält den Raum vermint,
Im Sofa schlummern Kissen.

Der Mensch, der für ihr Muster sich
Einst generös entschieden,
Sieht nun mit Stolz, dass nichts verblich,
Nur nicht mehr von hienieden.

Es schlummern hinterm Einbauschrank
Der Ersttapete Reste.
Auch hier schwor man auf sich're Bank -
Zum Einzug nur das Beste!

"Modern trotz Minimaletat"
Ätzt's jetzt aus Hausverwaltern.

Der letzte Klecks von "wie's mal war"
Darf hier in Ruhe altern.

Adenauer-Brücke & das zweitausendzweihundertneunundvierzigste Gedicht

Die Konrad-Adenauer-Brücke nach Essen-Überruhr

Besuch im Daheim

Essen-Überruhr, hört man, verbiete es mir,
Es meinen Geburtsort zu nennen.
Man lädt mich zwar jedes Mal ein auf ein Bier,
Doch nur, um sich von mir zu trennen.

Mich dürstet es so nach dem Wiegengefühl,
In alter Gewissheit zu baden -
Schon schließt tumbes Modernisierungsgemühl
Den letzten verbliebenen Laden.

Man schläfert hier jeglichen Anhaltspunkt ein.
Nur ich kann doch nicht alles erinnern!

Dann bittet man rüde, mich rechts einzureih'n,
Im Rudel von echten Beginnern.

"Ich bin hier geboren!", rumort es in mir
(die S-Kurve immer im Blick),
Geb weder verloren den Ort und das Hier
Und schlurf durch den Ruhrwiesenschlick.

Abgeschirmt & das zweitausendneunundneunzigste Gedicht

Ladengasse in der Altstadt Bratislava

Im falschen Zuhause

Wahrlich, ich führe ein wunderlich Leben,
Das leider verfälscht wird von Fremdrequisiten.
Ja, ich fühlspüre mich deutlich daneben -
Und kann über keinerlei Ding hier gebieten.

Randvoll und unverlangt bin ich umgeben
Von Auswüchsen mir doch versagter Renditen.
Aussichtslos, Blickwerk und Köpfchen zu heben,
Umbaumelt mein Kinn ihr Schild "Mich kann man mieten!".

Förchensee & das zweitausendvierundneunzigste Gedicht

Blick über den Förchensee bei Ruhpolding

Im Endspurt des Streunens

Nirgends zuhause
Und doch nichts vermissend.
Mir zeigt sich jed Bau
Fundamenteunwissend -
Und ich zeig entsprechend zurück!

Zeichen vertrauend,
Scheint Suche mir lässlich.
Ein endloser Stau
Potenziert sich ins Grässlich -
Derweil ich die Zeit überbrück.

Wann ließ das Verlangen vom Glück?
Und was bestimmt, was man vergisst?
Fernab vom Traulich,
Nirgends zuhaus: ich -
Leider auch nirgends vermisst.

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