Dutzendzeiler

Ende, Poet! & das zweitausendsechshundertdreiunddreißigste Gedicht

Die Straße Endepoet in Essen-Kettwig

Das Entblühen

Im Nu der Maximalentfaltung
Fällt schon das erste Blatt.
Das Wachstum führt zur ersten Spaltung:
Erwach!/Blüh auf!/Ermatt!

Ein My an Müh wird aufgefahr'n -
Es scheint uns zu umspielen -,
Entfernt sich halbwegs durch sein Nah'n
Von kurz erspürten Zielen.

Im Lalala der Frühlingsseelen
Basst ausdringlich ein Ton.

Den kann die Blüte nicht verhehlen
Als Maß der Extinktion.

Bergwaldwipfel & das zweitausendsechshundertneunundzwanzigste Gedicht

 Wettersteingebirge mit Alp- und Zugspitze

Bergwaldwipfel

Die profane Magie der Bergwälderwipfel,
Sie kapriolt als Ruheschwamm.
Sie schlürft sich die Stille vom glitzernden Gipfel
Und saugt vom regungslosen Kamm,
Da wir fast ehrfurchtsvoll besehen
Jahrtausendaltes Nicht-Geschehen.

Da unsere Displays zig Ticker zerwimmeln
Mit angespannten Blickmagneten
Und immerzu quengelnd Alarmglöckchen bimmeln,
Die Stresszustände sich versteten,
Dass wir schon sehnsuchtsvoll besehen:
Jahrtausendaltes Nicht-Geschehen.

Restschnee & das zweitausendsechshundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Das Kranzbach - Mary Portman House

Spürst du, wie der Frühling drängelt?

Spürst du, wie der Frühling drängelt?

Ein verletzter Frosthauch schlängelt
Sich noch morgens bis zur Tür,
Dankt fast höflich fürs Erdulden
Seiner letzten Daseinsschulden -
Dann geht's ab zur Kür!

Und aus keiner nächsten Nacht
Springt's komplett zurück.
Alles ist bereits erdacht,
Nährt sich Stück um Stück.

Spürst du, wie der Frühling drängelt?
Winter hat sich ausgeschlängelt!

Vorjahrsdisteln & das zweitausendsechshundertsiebte Gedicht

Am Ufer der Würm in Feldmoching

Der Rosenstrauch

Dieses Anwesen ziert nunmehr Abwesenheit
Nur der Rosenstrauch sprießt Jahr für Jahr
Das Häuschen negiert, es sei einzugsbereit
Man grübelt, bis wann es es war

In irgendnem Bauherrnhirn dümpelt's wohl schon
"Wir ebnen den Altbestand ein!
Wenn Frühres verschwindet, kann Neues hier wohn"
Alle Scheinheiligkeit ehrt den Schein

Doch am Rosenstrauch zeigt sich: Hier droht ein Verlust
Denn es geht um das Rauben der Ehre
Und Abwesenheit wird mitnichten bewusst
An den Stätten begieriger Leere

Feldmochinger See & das zweitausendsechshundertvierte Gedicht

Am Feldmochinger See

Frühlingserwachen

Wenn gierig mich ein Krokus küsst,
Der sonst viel lieber Rohkost isst,
Dann fühl ich mich begehrt.

Wenn dann mich 'ne Narzisse disst
"Ich glaub, dass du ein Nazi bist!",
Bin ich sogleich entehrt.

Das Schneeglöckchen interveniert,
An Schamhaarlöckchen interessiert,
Die ich grad frisch gekämmt,

Wofür, wie es aus Tulpen haucht,
Ich nur 'ne App als Tool gebraucht.

Ach, Frühling, bin enthemmt!

Hafenausfahrt & das zweitausendsechshunderterste Gedicht

Am Hamburger Hafen

Ach woher

Der Abend grüßt sich in mich ein
Und ist Abend und Abend am Spätnachmittag.
Mein Hab und Gut bootet, doch bleibt weiter klein -
Es gibt Städte, die wittern, dass ich sie nicht mag.

Und das große "Wohin?" fängt an, üblich zu sein -
Ist Wohin und Wohin im Woher.
Minenbuben eint Gruben von Spitzfinderei'n,
Die ich so und so nicht so begehr.

Der Abend ist Abend und Abend und Nacht -
Nicht der Winter verkürzt jetzt die Tage,
Es ist eine Jahreszeit, in der es lacht:
"Ach, i wo, ach, woher!" - nur als Frage.

Hartmannshofen & das zweitausendfünfhundertzweiundneunzigste Gedicht

Im Moosacher Stadtteil Hartmannshofen

Er wird's!

Ich erinnere Frühling den Winter hindurch,
Daher sprintet sein Duft ins Vertraute.
Und wie ein aus Starre sich streckender Lurch
Erkenn' ich das noch nicht Beschaute.

Mancher Vogelgesang war im Vorjahr noch Ei -
Der wähnt sich in Einmaligkeit,
Tiriliert voller Eifer sein Tandaradei -
Das versiegt in den Rhythmen der Zeit.

Ich erinnere Frühling, bis er wieder ist,
Salamander' zurück in den Glanz.

Dann hand'le ich aus, als ein Halbrealist,
Die mir übergebene Chance.

Wanderndes Eis & das zweitausendfünfhundertachtzigste Gedicht

Eisfläche vorm Schloss Nymphenburg

Nein, also jetzt bitte nicht allen Ernstes ein verärgertes Bahngedicht?!

Herr, gib mir die Geduld zurück
Für Zugverzögerungen!
Kaum hör ich was von SEV,
Bin ich von Zorn durchdrungen,
Mein Gleichmut ist verletzlicher
Als Eintagsfliegenjungen -
Gern wär ich bei 'nem Zugausfall
Ein wenig ungezwungen.

Ich frag dich, was würd Jesus tun
(der soll ja recht viel wissen)?
Wie pflegt der Mensch sein In-sich-Ruh'n,
Wenn die Geduld zerschlissen?

Winterhecke & das zweitausendfünfhundertfünfundsiebzigste Gedicht

Am Schlosspark Nymphenburg

Altersruhesitzen

Ich nehm zum ersten Mal heut Platz
Auf meinem Altersruhesitz.
Es ruft ne ungelesne WAZ,
Dass ich durch ihre Zeilen flitz.

Hier werd ich meine letzten Kräfte
Zum Spurt zusammenballen
Für Studien alter Comichefte.
Vielleicht wird's mir gefallen …

Die letzten Runden sind ein Keks
Von zuckerbittrer Note.
Wär gern noch etwas unterwegs -
Schon setzt die Zeit Verbote.

Hüttenzauber & das zweitausendfünfhundertdreiundsiebzigste Gedicht

Auf dem Moosacher Hüttenzauber Weihnachtsmarkt

Orange/Angela (Ein Abzählreim)

Ich sitze in der Waschmaschine,
Esse eine Apfelsine,
Schmatze unermesslich.

Ich habe noch sehr viel Termine,
Wo ich grässlich gern erschiene -
Bin jedoch zu hässlich.

Das Wasser strömt, mich einzunässen,
Die Orange ist gegessen,
Ich bin sehr vergesslich.

Bis ich Angela aus Hessen
Bitte, "Power Off" zu pressen,
Wirke ich schon blässlich.

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