Reisen

Globetrottergedichte und andere Verse vom Reisen und Unterwegssein.

Vedado & das zweitausendzweihundertachtundsechzigste Gedicht

Am Malecon in Verdado

Lost in Havanna

Aus dem Dunkel der Winkel lockt's hektisch:
"An Anhaltspunkt: Alter, versteck disch!"
Plötzlich löscht alle Richtung sich aus meinem Weg,
Orientierung verrinnt, schon ist Licht Privileg.
Wie rasend schabt sich Resignieren
In mein früh'res Souverän,
Ich muss Verirrtheit konstatieren,
Fahrigflach lass ich mich geh'n.

Vor Demut ob der Gassen Massen Macht
Geh ich zurück zu sich'rem Ursprung.
Rasselnd japst es in mir sacht:
"Warst grad ganz schön aus der Spur, Jung!"

Doch ein Blick auf den Stadtplan am Morgen beweist:
Ich habe mein Ziel einfach sehr gut umkreist.

Sierra de Viñales & das zweitausendzweihundertvierundsechzigste Gedicht

Felsformationen in der Sierra de Viñales

Hop-on-Hop-off

Der Hop-on-Hop-off-Bus hier im Tal
Ist ziemlich off-gehoppt.
Ja, hoffnungsfroh - das war einmal,
ist alles flott gefloppt.

On Top of nie ins Ziel getroff'ner,
Offener Ideen
Steh'n Tonnen von Trophäen Besoff'ner -
Schon ausgestopft,
Zusamm'ngepfropft
Als Futter für Museen.

Beförderungsmittel & das zweitausendzweihundertzweiundsechzigste Gedicht

Oldtimer und Kutsche bei Jibacoa

Sonnenmilchtage

Benähere dich mir an solchen Tagen,
An den'n ich nach Sonnenmilch rieche!
Ich bin dann vermutlich okay zu ertragen,
Weil ich nicht im Selbstmitleid sieche.

Du kannst an solch Tagen mir maximal schmeicheln:
"Ich hätt' dich fast gar nicht erkannt!"
Zur Hälfte verschwimm' ich in lässigen Teilchen,
Der Rest wird von Sonne verbrannt.

Carolina & das zweitausendzweihundertachtundfünfzigste Gedicht

Blühender Pseudobombax ellipticum und Antillengrackel

Strg + V, analog

Nach monitorbeschienener Zuhausebleiberei
Bin ich jetzt vom Empfang erlöst und sowas von dabei.
Und jeder Tropfen Blut in mir
Verneunfacht seine Stärke,
Es strömt sich eine Flut ins Hier
Voll neu erdachter Werke.

Weshalb hab ich mich je entwöhnt
Vom längst gewussten How-to-do?
Warum bloß hab ich mir verpönt
Das "Heute schau ich nur mal zu!"?

Je weiter ich nach draußen drift',
Je mehr erfasst mich Sinn,
Ich tippe nur noch via Stift
Ins echte Mittendrin.

Alle Rechte bei Katja Reichert-Bloch, für die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 von mir gekauft wurde.

Fraport & das zweitausendzweihundertfünfundfünfzigste Gedicht

Terminal C Frankfurter Flughafen, kurz vorm Abflug

Reisefertig

Wenn Reisetaschenreißverschlüsse
Sich ihre Krampen reiben,
Am Bahnsteig rasche Abschiedsküsse
Als letzter Gruß verbleiben,

Wenn Vorbereitungseifer sich
Gen Wirklichkeit entspannt
Und das Gepäck deckt ein für dich
Die Zeit im andern Land,

Ist man schon spürbar angetan,
Kennt Leute, Strand und Preise,
Nun folgt die Haut dem großen Plan
Und macht sich auf die Reise.

Alle Rechte bei Cora Cristofolini, die das Gedicht im Rahmen der Kuba-Spendenaktion 2023 von mir gekauft hat.

Wiedererwachen & das zweitausendzweihundertsechsundvierzigste Gedicht

Frühlingserwachen am Alten Nordfriedhof München

Glam der Flucht

Nach einer Saison unterm Mullbindenhimmel
Schrei'n meine Augen nach Strand -
Verödetes Licht kriecht durch Grauen und Schimmel,
Die Lichtung heißt: anderes Land.

Oh, seliges Dösen mit Sand an den Füßen
(die eben noch Socken verpackten)!
Ich streich aus erröteten Postkartengrüßen
Die allzu genüsslichen Fakten.

Ja, vertaut die Vertrautheit verdunkelter Welten
Gern felsenfest in meinen Häfen -
Es dämmert der Glam von dem emsigen Selten
Mir fernschönstes Licht in die Schläfen!

Sudetenmuseum & das zweitausendzweihundertsechzehnte Gedicht

Die Fassade vom Sudetendeutschen Museum München

Weltweiten

Ein Vormittag vorm Monitor
Kommt mir erheblich kürzer vor

Als, sagen wir, am Strand
Von einem fernen Land.

Es gilt, man kann sich schadlos aalen
In Bildschirm- oder WLAN-Strahlen,
Derweil das treue Sonnenlicht
Zu tief in unsre Häute sticht.

Mein Körper widerspricht
So vehement wie schlicht.

Gewiss gereicht es ihm zum Test,
Was man an Spuren hinterlässt:
Dort von zig Cookies angezapft,
Dort barfuß in den Sand gestapft.
So lässt sich für ein Wohlbefinden
Kein besseres Symbol wohl finden

Als, sagen wir, der Strand
Von einem fernen Land.

Orientierungshilfen & das zweitausendzweihundertfünfzehnte Gedicht

Beleuchteter Wegweiser am Stuttgarter Schlossplatz

Verlorenheit am Morgen

Die hotelige Frühstücksbuffetorientierung
Kann morgens doch arg überfordern.
Ich irre von Mir-ist's-zu-früh-Konsternierung
Ins hilflose Rühreier-Ordern.

Wo find ich die Löffel, die Butter, den O-Saft?
Wie war noch die Nummer vom Zimmer?
Ob meine Entmüdung noch irgend Niveau schafft?
Ich zweifle. Zur Frühstückszeit immer.

Bauerntheater & das zweitausendeinhundertsiebenundsiebzigste Gedicht

Im Bauerntheater Schliersee

Im Dialektischen

Ein Dialekt versteckt sich nicht,
Er spreizt vielmehr die Beine -
Es tollt hinter der Hymenschicht,
Doch Wegweiser gibt's keine!

Die Tourist-Info weiß sehr viel,
Nur kann sie's dir nicht sagen -
Betrachte du ihr Zungenspiel
Und stell dir selbst die Fragen!

Katarina Kyrka & das zweitausendeinhundertneunundvierzigste Gedicht

Katharinenkirche im Stockholmer Stadtteil Södermalm.

Vorletzter Tag am Urlaubsort

Schon der vorletzte Tag am Urlaubsort -
Es staubt in das lahmende Jetzt nun ein Fort
Mit der Unwiederbringbarkeit fehlender Haken.

Doch fragen wir was ungetan
Ob einer zweiten Chance noch an,
Weil vor Endgültigkeiten schon Größ're erschraken.

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