Alter, Tod & Abschied

Gedichte über das Älterwerden, den Lebensabend, Krankheiten. Und den Tod.

Wallfahrtskirche & das zweitausendfünfhundertachtundneunzigste Gedicht

In der Wallfahrtskirche Andechs

Ungehalten

Ich bin zu nah am Endstillstand,
Um jetzt noch stillzusteh'n.
Und trotzdem scheint grad allerhand
Nicht mehr voranzugeh'n.

Du plärrst, es sei nicht deine Schuld,
Ins Ein-für-Allemal.
Verzeih mir meine Ungeduld -
Ich habe keine Wahl!

Hartmannshofen & das zweitausendfünfhundertzweiundneunzigste Gedicht

Im Moosacher Stadtteil Hartmannshofen

Er wird's!

Ich erinnere Frühling den Winter hindurch,
Daher sprintet sein Duft ins Vertraute.
Und wie ein aus Starre sich streckender Lurch
Erkenn' ich das noch nicht Beschaute.

Mancher Vogelgesang war im Vorjahr noch Ei -
Der wähnt sich in Einmaligkeit,
Tiriliert voller Eifer sein Tandaradei -
Das versiegt in den Rhythmen der Zeit.

Ich erinnere Frühling, bis er wieder ist,
Salamander' zurück in den Glanz.

Dann hand'le ich aus, als ein Halbrealist,
Die mir übergebene Chance.

Baumsterben & das zweitausendfünfhundertneunundachtzigste Gedicht

Auf dem Weg zum Kloster Andechs

Der provozierte Ruheständler

Und immer schleicht die Spießigkeit
Mit bissbereiter Fresse
Um meiner Inbrunst dünnes Kleid
Und sprießt wie bleiche Kresse.
Sie wittert etwas Kleinstgewinn
In meinen größten Nöten
Und krallt sich alles, was ich bin,
Aus unterkühlten Klöten.

Dann tanzt sie ihre Halbgar-Show
Vor vollverdummten Affen,
Die ein Verstummen vom Niveau
In keinem Kosmos raffen.

Wär sie doch nur so standorttreu,
Dass wir uns nie verqueren -
Ich wollte aus Impulse-Scheu
Mich lang schon nicht mehr wehren!
In meinem Rückzug bin ich doch
Längst weit genug gegangen ...

Die Frage "Und was wollt ihr noch?"
Hängt gut gegart im Bangen.

Moosach Sunset & das zweitausendfünfhundertfünfundachtzigste Gedicht

Sonnenuntergang in Moosach West

Forever Young (1984)

Am Lebensabend trügt ein blendend
Sonnenuntergang,
Mit Zähigkeit den Tag beendend -
Als wär er ewig lang.

Dem trotzt der Vorahn'n Munkeln: "Nein,
Es kann sehr bald sehr dunkel sein -
Auch uns hat's überrascht!"

Schon oft hat Unbekümmertheit
Von abonnierter Ewigkeit
Den Zweifel abgeascht.

Chiemseeausstieg & das zweitausendfünfhundertdreiundachtzigste Gedicht

Am Chiemseeufer in Bernau

In aller Stille

Nur, weil der Kleinlaut
Sich nicht mehr raustraut,
Darf das Großmaul schnabulieren.

Dass er vormals vorlaut war,
Stellt hernach ein Nachruf klar.

(Schon mal vorzuformulieren!)

Winterhecke & das zweitausendfünfhundertfünfundsiebzigste Gedicht

Am Schlosspark Nymphenburg

Altersruhesitzen

Ich nehm zum ersten Mal heut Platz
Auf meinem Altersruhesitz.
Es ruft ne ungelesne WAZ,
Dass ich durch ihre Zeilen flitz.

Hier werd ich meine letzten Kräfte
Zum Spurt zusammenballen
Für Studien alter Comichefte.
Vielleicht wird's mir gefallen …

Die letzten Runden sind ein Keks
Von zuckerbittrer Note.
Wär gern noch etwas unterwegs -
Schon setzt die Zeit Verbote.

Homebaum & das zweitausendfünfhundertvierundsiebzigste Gedicht

2024er Weihnachtsbaum

Weihnachten, Reprise

Die güldnen Lichter gehen aus,
Das Wintergrau wird dunkler,
Der Frost vervielfacht seinen Graus,
Die Frühlingsaussicht: unklar.

Der Licht an Ketten ist entwischt -
Vermocht' es nicht zu halten!

Ich trotze einer finstren Gischt
Und drohe mich zu spalten.

Im Hintergrund & das zweitausendfünfhundertsechsundsechzigste Gedicht

Stilleben im Home Office

Im Studenten*Innen-Café

Ich bin längst schon älter als alle Studenten,
Weiß Gott, sogar: als Professoren!
Man hält mich hier nicht mehr für einen Dozenten -
Dafür wurd' ich zu früh geboren.

Das ist jetzt mein Schicksal -
Doch fühl ich mich halt
Mit "He's a bit sick?"-Mal
Noch immer nicht alt.

Untertageschirm & das zweitausendfünfhundertsechzigste Gedicht

Skulptur am Bergbaumuseum im bayerischen Peissenberg

Die Bank im Park

Ich habe eine Bank im Park
Großväterlich getestet.
War mein Pausier'n vor diesem Tag
Vom Jugendwahn verpestet?
Die Planken jener Bank beknutschten
Der Oberschenkel Schinken,
Die wohlig über sie hinrutschten -
Bereit, einst herzuhinken,
Um diesen Platz als kleinen Schatz
Vom Lebensrest zu schätzen;
Ihn demgemäß mit dem Gesäß
Im Abspann zu besetzen.

Der Rückenlehne Bohlen boten
'Ne wohlige Massage,
Schon hochgeschätzt von jetzt längst Toten
Im Austritt der Passage.

Ich habe eine Bank im Park
Großväterlich gewählt,
Nachdem mich unentwegt nur Quark
Und Hetzerei gequält.

Icking & das zweitausendfünfhundertachtundfünfzigste Gedicht

Weg zum Ickinger Friedhof

Zum Verabschieden

Dreimal gewunken
Braucht's für ein Ade,
Meutern auch Unken:
"Ey, zweimal reicht!" Nee.

Der letzte Wink ist Auftakt zum
"Hallo, bin wieder da!"
Ist's noch so fern dem Publikum -
Kurz fühlt sich's an wie nah!

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