Alter, Tod & Abschied

Gedichte über das Älterwerden, den Lebensabend, Krankheiten. Und den Tod.

FW4-Rückenansicht & das zweitausendfünfhundertdreißigste Gedicht

Potsdam Orangerieschloss Denkmal Friedrich Wilhelm IV

Alte Szenegänger

Deinen Schnurrbart - wie sollte ich den wohl versteh'n?

Über Retrotrends lässt sich manch Lösungsweg geh'n,
Doch ich stolp're noch immer ums große "Warum?",
Bin (nicht allein hierfür) zu alt-Strich-zu dumm.

Meine Anschlussschwierigkeiten -
Sie sind Anschussschwierigkeiten,
Von den'n ich mich nicht mehr erhole.

Irgendwann mag ein Schnurrbart mich wirklich erschießen -
Drum sollte ich stur die Rasuren genießen
Und zahl'n mit dem Rest unsrer Kohle.

Bernried Landesteg & das zweitausendfünfhundertvierundzwanzigste Gedicht

Wasseroberfläche vom Starnberger See bei Bernried

Hochgefühl, tiefergelegt

Vom See her weht der Wind und sagt:
"Das Gute hat gewonnen."
Und in die alten Ufer ragt
Ein Neues, das begonnen.

Ich spür die Brisen, seh die Wellen -
Doch in mir weilt die Skepsis.
Sich auf mehr Hoffnung einzustellen,
Besänftigt nicht die Sepsis.

Es wiegen Halme, Blätter schwingen -
Erobert scheint der Steg,
Erzählbereit von bess'ren Dingen.
Zu guter Letzt: ein Weg.

Man trug den Eifer, unverzagt -
Längst trag ich meine Schwächen,
Werd, da ein frischer Aufblick tagt,
Versinken ins Gebrechen.

Das bisschen angefaulter Mut
Schafft's nicht mehr zum Triumph.
Zu oft verwässert ward das Blut,
Der Adern Haut zu stumpf.

Das Abgekämpfte stört das Bild
Und schmälert den Gewinn.
Wer jetzt nicht feiert, jetzt nicht wild,
Gehört dort nicht mehr hin.

Moorrinne & das zweitausendfünfhundertfünfzehnte Gedicht

An der Krummen Laake – häufig auch Krumme Lake genannt – ein Sumpfgebiet mit Restsee in einer Moorrinne des Berliner Urstromtales.

Alte Bekannte

Meine alte Badestelle
Kennt noch immer meinen Namen.
Leicht verwirrt sie das Gefälle
Der mir zugeneigten Damen.

Denn Badestellen werten Leute
Nur an ihrer Freud zu schwimmen.
Die war nie so groß wie heute -
Ja, ich denk', das könnte stimmen ...

St. Moritzsee & das zweitausendfünfhundertzehnte Gedicht

Blick auf St. Moritz vom Ufer des St. Moritzsees

Zum Geburtstag

Es gibt ständig Geburt, es gibt fortwährend Tod,
Es gibt meistens 'nen Zeitstrang dazwischen.

Diesem endlichen Spurt gilt das Highlight-Gebot -
Denn dem Abhang wirst du nicht entwischen!

Weitseeausgang & das zweitausendfünfhundertfünfte Gedicht

Ufer vom Weitsee im Dreiseengebiet zwischen Ruhpolding und Reit im Winkl

Nach dem See

Ich war heut mit künftigen Leichen baden.
Ich muss sagen, sie schwammen sehr gut.
Da schwärmten sie: "Erika, zeig deine Waden!"
Für Lebende ganz schön viel Mut!

Ich hab manche Hintern vorm Stillstand geseh'n.
Ich muss sagen, sie blieben mir fern.
Ich zerrte sie in Silhouetten von Reh'n
Vor einem erloschenen Stern.

Die Straffen hab'n frech für ein Mehr kandidiert.
Ich muss sagen, die wirkten gesund.
Da wurd' manche Zweisamkeit abzelebriert
In Gemeinsamkeit mit einem Hund.

Mag sein, ihre Haut wird durch Luft präpariert.
Ich muss sagen, die kennen den Dreh!
Für jeden, der doch in 'nen Sarg sich verirrt,
Steht hinten am Waldrand ein Reh.

Jedermann-Festspieltribüne & das zweitausendfünfhundertdritte Gedicht

Die Jedermann-Zuschauertribüne der Salzburger Festspiele am Domplatz

Vielleicht, dass Schmetterl ...

Kaum, dass der Sommer dir versprach,
Du würdest nie mehr frieren,
Verfinstert sich der Rest vom Tag
In längst geleerten Bieren.

Die Brunnen sind noch in Betrieb -
Dann hab'n wir's noch nicht Winter!
Du schwörst, es hätt' dich jemand lieb
und kommst auch noch dahinter …

Die Würfel sind im freien Fall -
Da ist noch nichts entschieden
Und alles ist jetzt überall.
Der Schlusspunkt ward vermieden.

Noch laufen vor allem die Brunnen vorm Tore -
Doch die schönen Geschichten sind alle erzählt.

Ich schwitze den Alkohol aus jeder Pore -
Vielleicht, dass aus mir sich ein Schmetterling schält …?

Bahnwärterwacht & das zweitausendvierhundertneunundneunzigste Gedicht

Auf dem Gelände des Bahnwärter Thiel

Crème de la Crème

Ich wünsche mir vor meines Lebens Erblindung
Noch so etwas wie eine Eiscremeerfindung.
Etwas Nützliches, dass dem Genusse entspringt -
Etwas Nutzloses, dass sich als Must-have verdingt.
Ein Gewöhnung verpönendes Mahl des Verwöhnens,
Ein unübergehbares Mal des Versöhnens,
Unwiderlegbar als "Is the world nice?!"-Meme -
Kurzum, ein bisschen so etwas wie Eiscreme.

So 'ne Erfindung der Welt hinterlassen,
Als letzter Akt vorm finalen Erblassen,
Irgendwie etwas wie Eiscreme vererben ...

Gut, man kann friedlich auch ohne dies sterben.
Doch das als ein Restzielchen nicht aufzugeben -
Das ist letztendlich mein Anspruch ans Leben.

Resis Brunnenhof & das zweitausendvierhundertachtundneunzigste Gedicht

Der Wittelsbacherbrunnen im Brunnenhof der Münchner Residenz

Sucherlohn für L.

Die Straße, die einst man nach dir mal benennt,
Wird sicherlich gebaut.
Und irgendwer sagt dann, der dich gar nicht kennt,
Du hättest dich echt was getraut.

Vielleicht, dass notorische Parkplatznot gibt
Dort ständigen Anlass zu fluchen?
Auch du warst - posthum, doch nie wirklich geliebt -
Verdammt, lebenslänglich zu suchen ...

Neuzuzug & das zweitausendvierhundertzweiundneunzigste Gedicht

Neuzuzug am Feldmochinger See

Die Wiedersehenden

Ach, wie elend lang war ich nun hier nicht mehr da!
Ich fürchte mich vor dem Versprechen,
Ich machte mich fortan nie wieder so rar -
Solch Leichtfertigkeit wird sich rächen!

Unser Wiederseh'n ächzt unter Melancholie -
Wie viel Tonnen davon kann man tragen?
Wir befinden, spät sei ja doch besser als nie
Und man könne sich gar nicht beklagen.

Wenn ich "Stimmt so!" sag, mein ich: "Behalte den Rest gern
Für dich!" - hier verlangt's niemand nach Kommentaren!
Mein Ich, das hier rumstreunt, kommt immer von Gestern
Und grüßt die Gefährten, die wir einmal waren.

Auf Moorrunde & das zweitausendvierhunderteinundneunzigste Gedicht

Umgebung Morwege rund ums Kloster Benediktbeuern

Noch

Ich sehe noch so viele Tiefen der Welt,
Die wehren sich meiner Erkenntnis!
Längst habe ich weniger Zeit noch als Geld -
Egal, wie erfolglos die Band is'.

Wenn möglich, würd ich von Natur noch begreifen:
Den Herzschlag, den Rhythmus, den Kreis.
Doch kann alle Weisheit noch bestenfalls streifen -
Ein Weder/Noch ist's, was ich weiß!

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