Alter, Tod & Abschied

Gedichte über das Älterwerden, den Lebensabend, Krankheiten. Und den Tod.

Ende, Poet! & das zweitausendsechshundertdreiunddreißigste Gedicht

Die Straße Endepoet in Essen-Kettwig

Das Entblühen

Im Nu der Maximalentfaltung
Fällt schon das erste Blatt.
Das Wachstum führt zur ersten Spaltung:
Erwach!/Blüh auf!/Ermatt!

Ein My an Müh wird aufgefahr'n -
Es scheint uns zu umspielen -,
Entfernt sich halbwegs durch sein Nah'n
Von kurz erspürten Zielen.

Im Lalala der Frühlingsseelen
Basst ausdringlich ein Ton.

Den kann die Blüte nicht verhehlen
Als Maß der Extinktion.

Sataris Kalvarie & das zweitausendsechshundertdreiundzwanzigste Gedicht

Hl.-Kreuz-Doppelkirche auf dem Kalvarienberg im oberbayerischen Bad Tölz

Im Frühtau zu Kurpark

Im Sommer gibt es hier nicht genug Bänke -
Das zwingt Müde aufrecht zu steh'n
Trotz des kränkelnden Jammerchors aller Gelenke
Und des "tout est perdu!"-Tons der Herzkasperfeen.

Und für einen Moment scheint hier Kleinholz wahrscheinlich -
Aber alles denkt stolz: "Nee, das wär mir zu peinlich!"
Und der Aufstand der Steh'nden bleibt aus.

Drum zu Kurparks nicht nur starke Gangs übersteh'n,
Sondern lederne Gerdas bestimm'n das Gescheh'n -
Die zieht's schon im Frühtau hinaus.

Den Gefallenen & das zweitausendsechshundertzweiundzwanzigste Gedicht

Ehrenmal in Bad Tölz

Klinik

Geht es gen Genesung?
Versum zur Verwesung?

Schloßkanal, Seitentrakt & das zweitausendsechshundertsechzehnte Gedicht

Schloßgartenkanal im Schlosspark Nymphenburg

Es hornt

Also lasst es Frühling sein …

Es hornt der postillionsche Sog,
Des Strom mich ignoriert.
Er hat, der einst so viel bewog,
Mich heute nicht tangiert.

Es sprießt um mich gen Neubeginn,
Es klimmt empor das Tal,
Es singt ein mir verstimmter Sinn
Sein x-tes Nocheinmal.

Fortan werd ich nur noch Beobachter sein
Beim Wiederbefüllen der Blüte.
Ob Gegenwart mich dann mit Ohnmacht narrt? Nein.
Lang streichelte mich ihre Güte.

… also lasst es Frühling sein!

Stiglmaierplatz & das zweitausendsechshundertzweite Gedicht

Der Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz bei Nacht

Verfügung

Ich kann mich nicht daran entsinnen,
Dass ich mal was vergessen hab.

Und sollte ich damit beginnen,
So legt mich schnell in wessen? Grab!

Hafenausfahrt & das zweitausendsechshunderterste Gedicht

Am Hamburger Hafen

Ach woher

Der Abend grüßt sich in mich ein
Und ist Abend und Abend am Spätnachmittag.
Mein Hab und Gut bootet, doch bleibt weiter klein -
Es gibt Städte, die wittern, dass ich sie nicht mag.

Und das große "Wohin?" fängt an, üblich zu sein -
Ist Wohin und Wohin im Woher.
Minenbuben eint Gruben von Spitzfinderei'n,
Die ich so und so nicht so begehr.

Der Abend ist Abend und Abend und Nacht -
Nicht der Winter verkürzt jetzt die Tage,
Es ist eine Jahreszeit, in der es lacht:
"Ach, i wo, ach, woher!" - nur als Frage.

Wallfahrtskirche & das zweitausendfünfhundertachtundneunzigste Gedicht

In der Wallfahrtskirche Andechs

Ungehalten

Ich bin zu nah am Endstillstand,
Um jetzt noch stillzusteh'n.
Und trotzdem scheint grad allerhand
Nicht mehr voranzugeh'n.

Du plärrst, es sei nicht deine Schuld,
Ins Ein-für-Allemal.
Verzeih mir meine Ungeduld -
Ich habe keine Wahl!

Hartmannshofen & das zweitausendfünfhundertzweiundneunzigste Gedicht

Im Moosacher Stadtteil Hartmannshofen

Er wird's!

Ich erinnere Frühling den Winter hindurch,
Daher sprintet sein Duft ins Vertraute.
Und wie ein aus Starre sich streckender Lurch
Erkenn' ich das noch nicht Beschaute.

Mancher Vogelgesang war im Vorjahr noch Ei -
Der wähnt sich in Einmaligkeit,
Tiriliert voller Eifer sein Tandaradei -
Das versiegt in den Rhythmen der Zeit.

Ich erinnere Frühling, bis er wieder ist,
Salamander' zurück in den Glanz.

Dann hand'le ich aus, als ein Halbrealist,
Die mir übergebene Chance.

Baumsterben & das zweitausendfünfhundertneunundachtzigste Gedicht

Auf dem Weg zum Kloster Andechs

Der provozierte Ruheständler

Und immer schleicht die Spießigkeit
Mit bissbereiter Fresse
Um meiner Inbrunst dünnes Kleid
Und sprießt wie bleiche Kresse.
Sie wittert etwas Kleinstgewinn
In meinen größten Nöten
Und krallt sich alles, was ich bin,
Aus unterkühlten Klöten.

Dann tanzt sie ihre Halbgar-Show
Vor vollverdummten Affen,
Die ein Verstummen vom Niveau
In keinem Kosmos raffen.

Wär sie doch nur so standorttreu,
Dass wir uns nie verqueren -
Ich wollte aus Impulse-Scheu
Mich lang schon nicht mehr wehren!
In meinem Rückzug bin ich doch
Längst weit genug gegangen ...

Die Frage "Und was wollt ihr noch?"
Hängt gut gegart im Bangen.

Moosach Sunset & das zweitausendfünfhundertfünfundachtzigste Gedicht

Sonnenuntergang in Moosach West

Forever Young (1984)

Am Lebensabend trügt ein blendend
Sonnenuntergang,
Mit Zähigkeit den Tag beendend -
Als wär er ewig lang.

Dem trotzt der Vorahn'n Munkeln: "Nein,
Es kann sehr bald sehr dunkel sein -
Auch uns hat's überrascht!"

Schon oft hat Unbekümmertheit
Von abonnierter Ewigkeit
Den Zweifel abgeascht.

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