Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Giorgio Maggiore & das zweitausenddreihundertsechsundsechzigste Gedicht

Blick vom Campanile vom Kloster San Giorgio Maggiore

Gen Außenseite

Ach, bewahrt mich
Vor der Gram, sich
Für gutgemeintes
Schlecht Gemachtes
Provokant nicht zu bedanken
Bei all den treu mir zugewandten
Anverwandten und Bekannten!

Zu der zunehmend hilflosen Lähmung
Setzt man oftmals sich selber noch Schranken.

Ungewahr jeder eig'nen Beschämung
Keift sich ein als Lärm entfachtes
Nicht Bedachtes
Raus, schon scheint es,
Ein vermeintes
Lebensleid stimmt unversöhnt -

Gram, an die man sich gewöhnt.

Carnevale Padova & das zweitausenddreihundertfünfundsechzigste Gedicht

Vorbereitung zum Karnevalszug von Padua

Räuber 1 aus "Abgespeckt"

Hauptmann: Erlauchte Halunken, Räubersleute
Uns frohlockt heut fette Beute!
Manch Missetat hab'n wir Geriss'nen verbrochen,
Uns dann vor dem Zugriff der Sheriffs verkrochen … -
Doch niemals wieder, Spießgesellen,
Droh'n uns der Verliese Zellen!
Zwar bleibt die Mission von uns abgrundtief bös,
Nur sind wir vom Tonfall nun hochseriös!
Elon Musk und Mark Zuckerberg: Hargh, hargh, Hauptmann Bezos, wir stehen bereit!
Wer wird unser Opfer, wem bringen wir Leid?
Hauptmann: Nun, wir Ganoven beherrschen das Unterzahlspiel -
Drum ist ganz Bad Guttkopp das Überfallziel.
Dort grasen grad, bar aller Art von Gefahren,
Wohlstandsgemästete SPA-Gästescharen.
Diese Badebeschlappten und Frottee-Betuchten
Sind bald in der Gewalt von uns maßlos Verruchten!
Wohlan, ihr Kanaillen, heut schröpfen wir sie!
Nach durchweg erneuerter Dramaturgie -
Ich sehe die Skripte bei allen vorhanden?
Ihr habt auch den Ablauf gelernt und verstanden?
Elon: Kurze Frage! - Hauptmann: Ja, Elon? - Elon: Was mir nicht gefällt,
Zeile 1 heißt es: „Überfall – hier ist das Geld!“
Klingt: „Überfall – her mit dem Geld!“ nicht doch besser?
Dazu grimmes Fuchteln mit Knarre und Messer?
Hauptmann: Werter Mitbandit, du siehst mich reichlich verwundert!?
Du klingst noch verdächtig nach letztem Jahrhundert?!
Wir woll'n nicht mehr irgendwen schnöde berauben -
Wir schröpfen die Blöden, indem sie uns glauben!
Wir geb'n ihnen Peanuts und schönste Versprechen,
Für die sie im Gegenzug bald darauf blechen!
Erst 'n Lager, - Elon: 'n Werk, - Mark: 'ne Umsonst-App - Hauptmann: errichten,
Durch die unsre Opfer zu Dank sich verpflichten,
Und kurz drauf erlassen die Deppen uns Flegeln
Die Steuern - Mark: den Datenschutz, - Elon: Arbeitszeitregeln.
Hauptmann:Wenn die erst verstrickt sind im Netz unsrer Gaben,
Zahl'n sie an uns Geld, das sie nicht einmal haben.
Wo ist Mark? - Mark: Hier, Herr Hauptmann?! - Hauptmann: Mein treuester Scherge!
Du Facebuckel-Schurke vom zuckrigen Berge -
Ja, du weißt, wieviel Tonnen ein Instagramm wiegt
Hast alle mit ein’m Meta Vorsprung besiegt -
Und jetzt unsre Opfer im Bad ausgespäht?
Mark: Sehr wohl, jede Seele und jedes Gerät!
Ich kenn ihre Konten, Gewohnheiten, Schwächen,
Den Schwellenbetrag, ihren Willen zu brechen.
So können für künftige Abhängigkeiten
Wir gnadenlos zünftigen Druck aufbereiten!
Elon: Ich verkauf den'n ein „X“ für ein „E“-Autowerk!
Und flieg auf den Mars! - Mark: Sicher. -Elon: Rauf auf den Berg!
Hauptmann: Ach, Freunde! Was war'n doch Die Räuber bei Schiller
Noch ein beuteloser Stimmungskiller!
Heut wird ein sicker Übeltäter
Zum Überflieger dank Big Data!
Bald gehört uns Bad Guttkopp – wie längst schon die Welt
Per: „Dies ist ein Überfall – hier ist das Geld!“

Wintergartenhaus & das zweitausenddreihundertsechsundfünfzigste Gedicht

Das Wintergartenhochhaus mit drehendem KLogo der Messe Leipzig

Mehrerträge

Was türmt sich da im Mailfach auf
Und schreit: "Bin unerledigt!"?
Wer schaufelt da jetzt weiter drauf,
Wie bleib ich unbeschädigt?

Wann senkt ein wenig Frieden sich
In mein Organisieren?
Wie find' zur Linde wieder ich
Aus der Orkane Gieren?

Die Lage scheint wie festgefahr'n,
Die Tage eint ein Nichts-Erspar'n,
In das ich tief gesunken,

Das mich wie ein Waran umschleicht -
Ich denk' jetzt oft daran: Vielleicht
Ertrag' ich mehr betrunken?

Fälle im Regen & das zweitausenddreihundertfünfundvierzigste Gedicht

Iguazu-Fälle von der brasilianischen Seite einen Tag vorm Rekordhochwasser

Herbst in der Rückschau

Da wir durchstolpern Nebelbänke
Im farblos späten Jahr,
Durchquer'n wir holprig manche Senke,
Die gar nicht offenbar.

Die bare Undurchsichtigkeit
Umsorgt die Welt mit Milde.
So sind wir über manches Leid
Im Frühling erst im Bilde.

Da wir im Rückblick uns beseh'n
Zurückgelegte Strecke,
Begreifen dann, wie uns gescheh'n
Im Grau der Wolkendecke.

Verheilte Wunden schmerzen nicht,
Vererbt vom Ungewussten.

Sie lindern sich zum Unterricht,
Den wir verwinden mussten.

Alle Rechte bei Tom Droste, der das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 erstanden hat.

Botinas & das zweitausenddreihundertachtunddreißigste Gedicht

Inselchen an der Botinas Bucht bei Ilha Grande

Furzende Jugendliche

Furzende Jugendliche sind meistens ganz leise
Und duften in Grüppchen ihr Viertelchen scharf.
Sie rüpeln sich aufwärts mit hörbarer Meise -
Sind in der Erfüllungswucht voller Bedarf.
Und furzen und furzen und bleiben dabei,
Erzählt auch der Rektor: "Nun geht - ihr seid frei!"

Furzende Jugendliche bleiben als Sorge besteh'n,
Ihr Hier-Sein in keinerlei Morgen zu dreh'n.
Man fragt: "Wollt ihr Pommes?" - sie furzen und lachen.
Und Welt muss sich dreh'n trotz solch störrischer Sachen.
Und sie dreht sich! Und die Jugend wird furzen und furzen.

Es greift jeder Vorwurf auch etwas zu kurz, denn
Wir hab'n uns ärschlich längst pazifiziert,
In mancherlei Nachhinein niedergeniert.

Was hat Pubertät an uns übelst gerochen!

Ich fühl trotz der Knackser mich noch nicht gebrochen
Und in Wellnesshotel lass ich oft einen geh'n -
Als konnte das Heute mein Früher versteh'n.

Weißbüschelaffen & das zweitausenddreihundertfünfunddreißigste Gedicht

Sagui- oder Weißbüschelaffen auf der Ilha Grande

Spätes Nachsitzen

Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
Und frag' mich, was brächt' ich mir bei?
Wo fänd' ich den Zugang als Wissensvermehrer
Fürs üb-liche "Give it a try!"?

Schlurfende Gedankengänge,
Ohne Drall nach vorn -
Ob der Morgens-Aufsteh-Zwänge
Allen Flow verlor'n.

Konnten all die Pflichtlektüren
Mich zu den Gedichten führen?

Zumindest: Es wurden die Pfade gelegt
Zu Beeten, die seither man selbstbewusst pflegt.

Behaupt' ja gern und stur, ich hätt's
Mir selber beigebracht -
Liest das jetzt der Herr X, ich schätz',
Dass er nur herzlich lacht.

Nun bin ich schon älter als einst meine Lehrer
Und wie ihnen ist mir heute klar:
Es log meine Show als Aus-Trotz-Aufbehrer,
Wie formbar ich doch damals war.

Alle Rechte bei Hans-Peter Franz, der das Gedicht im Rahmen der Rio-Spendenaktion 2023 erstanden hat.

Bodenschneidalm & das zweitausenddreihunderteinundzwanzigste Gedicht

Schaf auf der Bodenschneidalm bei Fischhausen-Neuhaus

Schneeflöckchen

Zwischen Besamung und Begattung
Behagt es aber meiner Gattung
Sich hastig fortzupflanzen,
Zu morden und zu tanzen,
Zu lernen oder erben
(dies gerne lang vorm Sterben!) -
Mal sehr erfolgreich und mal minder,
Mal mit Muße, mal mit Tinder.
Doch immer mit einigem Mitteilungsdrang
Und quasi per stets auf Publikumsfang.

Es brüstet meine Gattung sich
Mit potenziertem Wissen.
Verkürzt sich hier kein Wartestrich -
So muss er sich verpissen.

Schon eine ganze Ewigkeit
Hat meine Gattung keine Zeit.

Oide Wies'n & das zweitausenddreihundertundzwanzigste Gedicht

Im Museumszelt der „Historischen Gesellschaft Bayerischer Schausteller e.V.“

Zwischengeschlechtliches

Wie hab ich seibernd dreingeluchst,
Wo sie statt unter- ungebuxt
Ihr wabernd "so ist recht"-Geschlecht
Reich frei entfaltet ausgeflächt,
Als sei 'ne Reihe von Rekorden
Für neue Ären einzunorden.

Hab so stark drauf- wie dreingeäugt,
Dass jetzt voll Gram mein Blick sich beugt
Und nach solch warmen Halten sucht,
Die spaltenarme Zeit verflucht -
Als sei die Folge von Genüssen,
Dass Weitre weiters folgen müssen,
Um seinen Pegel auch zu halten
(und in der Regel geht's um Spalten).

Doch heut, vor dir zu sehr bebuxten
Schaff ich's nicht mal zur verdrucksten
"Magst du dich ma auszieh'n?"-Frage
Für die Mild'rung meiner Lage.
Ich witt're hier klar ein Gebiet,
Das unenthüllt mich runterzieht -
Anstatt du's mit dem Büxlein tust!

Worauf des Glücks Verzückt-Sein fußt.
Magst du gemäß solch' Sehnen
Die Hosenbünde dehnen?

Abflugbereitschaft & das zweitausenddreihundertundzwölfte Gedicht

Unsere an die Gentrifizierung verlorene Wohnung in der Tengstraße 4.

Die Nachmieter

Schon sitzt die Waffenindustrie
Bei mir auf dem Balkon
Ich war so sehr "Mich trifft es nie!" -
Das hat man nun davon!

Die wringt jetzt bald ihr Pimmilein
In den verwaisten Bottich
Und etabliert das Unverzeih'n,
Malt alle Zukunft grottig.

Schon sitzt die Rüstungsindustrie
In meiner schnieken Wanne -
Zwar abgetaucht, doch sicher nie-
Mals eingeschäumt vom Funne,
Denn wir einst lieblich ausgekost'.

Jetzt bürstet sich der Rüstungsrost
An Herrn von Zu'stens Pimmilein.

Ich wärm mich an mein' ärmlich' "Nein!".

Wenn brünftig Euch auch Segen narrt,
Ihr Günstlinge der Gegenwart:
Das, was ihr mir genommen,
Berangt ihr nicht,
Verzwangt ihr nicht -
Ihr werdet's nie bekommen!

Paketposthalle & das zweitausendzweihundertfünfundneunzigste Gedicht

Die ehemalige Paketposthalle nordöstlich der Friedenheimer Brücke

Die Ansprache (Etappe 2: Unausgesprochenes)

Teil des Großgedichts "Hier ruht unsre viel zu früh von uns geschiedene Dorothee-Cosima")

Ein Balsam von Wörtern ergießt sich in Worte
Und hinter uns schließt sich Elysiums Pforte.
Oh, könnte ich sie bloß versteh'n -
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
Jedoch die Wucht der Sehnsucht raubt
Mir alle Sprache aus dem Haupt -
Und den Versuch, sich auszutauschen
Umwuchert rasch ein Sinnesrauschen.

Jener warme Wind Ihrer Wortproduktion
Ist All wie -gegenwärtig -
Er strahlt auf mich Vasallenlohn -,
Dies Adressat-Sein ehrt mich!

Doch nun, da Ihr mich angesprochen,
Hab' ich doch nicht grundlos hier Lunte gerochen?!
Schon kann mein Begehr'n alten Träumen nicht gleichen -
Vordem Unerreichbares will nicht mehr reichen!
Der Traum muss Exzess sein – er koste, was wolle!

Im steten Erheben beim Streben nach mehr
Entreißt's alle Rösslein vom Zaum der Kontrolle -
Was stillt ihren Willen und wo nehm' ich's her?!
Ermächtigt sich Unflat des weit'ren Betragens? -
Das ist im Behagen die Frage des Fragens!

Die Räudigkeit solcher Gedanken bereuend,
Doch weitere Hürden und Schranken nicht scheuend,
Kann ich nach Geneigtheit verheißenden Zeichen
Nicht unversuchend von Euch weichen!

Will nicht ein schaurig-schwüler Duft
Grad Eurem Kleid entsteigen?!
Ist's nicht, dass süß das Schößlein ruft,
In Blöße sich zu zeigen?!

Vielleicht lenkt mich ein Missversteh'n -
Ganz sicher ist's mir anzuseh'n,
Oh, Cosima! Oh, Dorotheen!
Der Bindestrich entwindet sich
Und nennt sich fortan Trennungsstrich.
Er bricht unser Gesprächlein ab,
Stößt jäh mich Elenden ins Grab!

Zwei edlen Namen galt mein Sehnen -
Und jeder wähnt mich abzulehnen!
So endet alles offenbar,
Oh, Dorothee! Oh, Cosima!
Ein Mehr an Verkehr werdet Ihr mir nicht schenken -
So bleibt nur, dies selbst mir zusammenzudenken!

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