Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Kennedyplatz & das zweitausendfünfhundertsechsunddreißigste Gedicht

Essen Light Festival 2024 - der Kennedyplatz mit "Big Picture" als Gesamtkunstwerk vom ungarischen Künstler Peter Kozma

Juni 2024 (Rückblick 6)

Viel ist vorbei-bye, Junimond -
Dabei war'n wir so viel Zementiertes gewohnt!
Doch Mandelas ANC verflacht,
Selbst Modi koaliert,
Derweil die Russ'sche Übermacht
Grad eignes Land verliert,
Und Volksparteien, einst aus Stahl,
Zerreißt's bei der Europawahl …
Erstmals Wahl schon ab 16 - dann zeigt sich, oh je:
Je jünger die Stimme, je mehr AFD!
Und einen Hauch vorm Vollalarm
Befindet man, zum Gotterbarm,
Dass EVP und Von der Leyen
Ein annehmbares Übel seien.
Nur Macron zeigt Argwohn und beschließt: Wenn schon fallen,
Dann soll es auch richtig knallen -
Löst Le Grand Parlement auf, erzwingt neue Wahlen …
Man sorgt sich: Wie hoch wird er dafür wohl zahlen?
Doch lobt man ja Europas Krone
Im Juni auch im Fußball aus -
Da berührt uns die Restwelt mal echt nicht die Bohne
(hffntlchfliegnwa nichgleich inder Vorrunde raus …)!
So direkte Duelle erzeugen oft Leiden -
Das merkte recht schnell Mr. Tatter-Joe Biden.
"Ach, das Politisier'n ist doch albärn, mein Gottchen!",
Meint Albärt das EM-Maskottchen,
"Klar, man besang Großalbaniens Nazistaatdichtung -
Im Strafraum gab's 'ne Wolfgrußsichtung
Un den sintflutartigen Regen, ja gut!"
Im Süden herrscht Jahrhunderflut.
Schon wieder Jahrhun...?! Wie die Zeit doch vergeht,
Wenn'n Globus erst auf Highspeed dreht!
Wie lang ist der wohl noch bewohnt?
Wann ist's vorbei-bye, Junimond?

Würm & das zweitausendfünfhundertvierunddreißigste Gedicht

Die Würm bei Feldmoching

Mai 2024 (Rückblick 5)

Den Mai gebar der Tag der Arbeit und er schließt im Katholikentag
Ein Labora-et-ora mit Missbrauchsanklagen, die kaum wer überblicken mag.
Ja, Scheinheiligkeiten sind weithin verbreitet,
Weil sich dadurch ja der Aktionsspielraum weitet ...
Mallorca ist urplötzlich gegen Touristen,
Die Le Pens und Melonis find'n die AFD Mist, denn
Von eig'nem Mist liegt die Krah-Krater entfernt -
Interessant, was man da an Nuancen erlernt!
Spanien, Norwegen, Irland sind erste beim Rennen
Im Jetzt-Palästina-als-Staat-Anerkennen.
Nur - je mehr man auf Bibi-zu-ärgern sich einigt,
Je wahlloser wird Rafah Hamas-bereinigt.
Doch trägt jedes Pro-Palästina Anti-Israel-Viren?
Da Studierende stur auf dem Campus campieren?
Von Kampen geht "L'amour toujours"
Mit andrem Text auf Deutschland-Tour.
Hamburg durchstampfen im Mai harte Burschen
Nach Nazi-Art, nur mit mehr Bart und zorngerecktem Kampfplakat:
"Kalifat ist die Antwort" konnt' man da lesen.
Nun gut. Aber was ist die Frage gewesen?
War 'ne stark retardierende Herrschaft gesucht?
Da wär "Kalifat" wohl als Antwort gebucht!
Es gärt im Schlick der Gockel-Narrheit
Manch selbstgestrickte TicToc-Wahrheit.
AFD-Glucke Alice is' notorisch beleidigt
Und verlangt den Verfassungsschutz auszubuh'n.
Beim ESC hat "uns Greta" Palästina verteidigt,
Als gäb's nicht beim Klima 'n Berg noch zu tun.
Ein aufrechter Kampf muss anscheinend auch flexibel genug für Themenwechsel sein:
"Wein nicht um mich, krankes Klima!
Ich hab jetzt ein schlankeres Thema.
Du wurd'st verleugnet, beschrie'n: 'Is' nich' wahr!'
Beim Terrorismus - da leugne ich ma'!"
Es stehen Prinz Reuß und auch Trump vor Gericht,
Bereu'n ihr Taten - ja, hätt'ste gern! - nicht.
Weil es gilt nun verstärkt: Zweite Meinung? Die gibt's nich'!
Das firmiert jetzt als brandneues Grundgesetz.
Das alte wird am 8. Mai fünfundsiebzig
Mit Staatsakt und Infostand, festlich Let's fetz!
Und wir feiern und seiern
Die üblichen Leiern,
Derweil sich Attacken
Plakatkleber packen.
Plötzlich läuft ein Straßenkrieg
Gegen Wahlhelferinn'n der Lokalpolitik.
Hasskommentare gibt's jetzt auch analog!
Von Messergestoch're bis Nasenbein-Broke.
And're Meinung - und das ist dein Job, Bruder - gibt's nich'!
Und das Grundgesetz wird heuer fünfenundsiebzig -
Oder anders gesprochen: als Macht mächtig alt.
Und ohnehin ohnmächtig gegen Gewalt.
Und ist Demokratie noch gewollt und reell
Oder mehr so 'n altkluges Auslaufmodell?
Das BSW grüßt Parteimitglied Nr. 47.
Das wird sich schon geben - ein Spoiler: Njet, wird's nich!
Schon bald setzt sich durch, dass die Start-Up-Parteien
Dank Russland-Empfehlungen wählbarer seien.
Von der'n Trollen durchseucht, deucht uns nicht ohne Qualen:
Es folgen dies' Jahr ja noch einige Wahlen ...

Wiesnwellenflug & das zweitausendfünfhundertsechsundzwanzigste Gedicht

Das Wellenflug-Kettenkarussell auf der Wiesn

April 2024 (Rückblick 4)

Der April, der April, der sagt: "Brudi, chill!
Es gibt das Weed, den Shit ab jetz
Ganz ohne Stress mit dem Gesetz!"
Nun, was die Welt betrifft, erwacht
Jetzt mancher "Wohl bekifft?!"-Verdacht.
Da reist Babo Steinmeier in die Türkei,
Als Gastgeschenk einen Spieß Döner dabei,
Die AFD bückt sich vor Russland und China
Und ist so gefügiger Doppelverdiener.
Vom Bystron kraht es auf dem Mist,
Auch Höcke heckt sich aus als List:
"Gilt hier Cannabis-Amnestie,
Dann auch SA-Spruch-Amnesie.
Echt ma easy, Landgericht,
War wohl damals mächtig dicht!"
THC bringt auch Briten enorm durcheinander -
Die exportier'n Flüchtlinge jetzt nach Ruanda!
Das UN-Gericht spricht uns vom Völkermord frei
Und ein Teil unsrer Wirtschaft performt richtig high!
So früh schon im Jahr gibt es 'nen neuen Rekord
Für die treuen Getreuen vom Waffenexport!
Ja, der Gazakrieg wird immer zäher,
Raketentests in Nordkorea,
Das Drohnengedroppe toppt jetzt der Iran
Und China droht so wie gewohnt gen Taiwan -
Bro, die brauchen da Waffen und zwar ohne Ende!
Und wir reib'n uns jointdrehend räudig die Hände …
Da müssen wir Volkswagen gar nicht groß retten -
Der wahre VW aus D, der läuft auf Ketten
Mit April-Chillum-chilligen, willigen Drift!
Dem folgen wir fortan gern vollends be… -herzt.

Bernried Landesteg & das zweitausendfünfhundertvierundzwanzigste Gedicht

Wasseroberfläche vom Starnberger See bei Bernried

Hochgefühl, tiefergelegt

Vom See her weht der Wind und sagt:
"Das Gute hat gewonnen."
Und in die alten Ufer ragt
Ein Neues, das begonnen.

Ich spür die Brisen, seh die Wellen -
Doch in mir weilt die Skepsis.
Sich auf mehr Hoffnung einzustellen,
Besänftigt nicht die Sepsis.

Es wiegen Halme, Blätter schwingen -
Erobert scheint der Steg,
Erzählbereit von bess'ren Dingen.
Zu guter Letzt: ein Weg.

Man trug den Eifer, unverzagt -
Längst trag ich meine Schwächen,
Werd, da ein frischer Aufblick tagt,
Versinken ins Gebrechen.

Das bisschen angefaulter Mut
Schafft's nicht mehr zum Triumph.
Zu oft verwässert ward das Blut,
Der Adern Haut zu stumpf.

Das Abgekämpfte stört das Bild
Und schmälert den Gewinn.
Wer jetzt nicht feiert, jetzt nicht wild,
Gehört dort nicht mehr hin.

Übertritt & das zweitausendfünfhundertdreiundzwanzigste Gedicht

Hochwasser am Tegernseeufer

März 2024 (Rückblick 3)

Der M(a)erz, er folgt dem Februar
(wohl auch dem Scholz im nächsten Jahr) -
Ja, vor eig'ner Dummheit kann man nicht laut genug warnen!
Und Unmut zieht ungut im Land seine Bahnen …
Was zum ersten März die Militärs sehr empört:
Der Russe hat uns abgehört!
Ein dämlicher Infos-aus-höchstem-Geschoss-Klau
Grüßt arg beschämend uns aus Moskau.
Ja, vor eigener Dummheit … - gut, kennen wir ja
Doch nur drei Wochen drauf wurde schlagartig klar:
Nichts ahnte man derweil vom Anschlagsplan
Des IS-Outlets Tadschikistan:
Ein Konzertsaal, 130 Tote - wie bringt man's ins Reine?
"Naja, das war halt die Ukraine -
Das war die Ukraine mit Hilfe vom Westen!" -
Gut, die einfachsten Lösungen sind oft die Besten.
Und kurz drauf krönt solch Propagandaerlebnis
Noch Putins Wahl-Rekordergebnis!
Was gab's noch neben Sieger- und Siegerreichpose?
Kate Middleton outet 'ne Krebsdiagnose (und das, wo King Charles' Prostata Im Vormonat schon Thema war),
Vorm Tesla-Werk fallen die Strommasten um (tja, halt Berliner Publikum),
Der NATO tritt Schweden bei - Staat 32.
Ist das Grund zu feiern? Ej, Leute, was weiß ich …
Der Papst plädiert plötzlich für mehr weiße Fahnen,
In Haiti kann niemand vor gar nichts mehr warnen,
Das Rote Meer ist endlich Huthi-bereinigt
Und die GDL hat mit der Bahn sich geeinigt.
Entwickelt sich alles in bessere(n) Bahnen?
Man kann, wie gesagt, gar nicht laut genug warnen!

Schlossparkkanal & das zweitausendfünfhundertzweiundzwanzigste Gedicht

Gondel im Schlosspark Nymphenburg

Eine Busfahrt bei Regen

Der Bus, er durchrädert ein Pfützengespritze,
Feuchtneblig erblinden die Scheiben.
Die vom Sommer noch kürzlich beschienenen Sitze
Erklammt neues Kühl, um zu bleiben.

Es wird Herbst, schreit die tropfnasse Kondensation.
Es bleibt sommerlich, kontert mein Hoffen.
Doch die Busfahrerdurchsagen ändert ein Ton,
Der macht mich bedenklich betroffen.

Ich bestelle dem Sommer zehn Comebackabsichten,
Mit Lieferzeit zwei bis drei Wochen.
Bis dahin mag Regen sein Unheil verrichten,
Den Sommer zur Abheftung lochen.

Es wird Herbst, hört man's Frühchen der Dunkelheit plärren.
Es bleibt sommerlich, schnauz' ich zurück.
Werd' mich mit viel Beharr gegen's Aufgeben sperren,
Bewahr' meine Rolle im Stück
"Eine Busfahrt bei Regen".

Ich mag mich deswegen ja gar nicht beklagen,
Werd' weiter vom Hof der Gewissheit verjagen,
Was Schlusspunktesetzer in Hetze platzieren.

Noch geht die Fahrt weiter, kann so viel passieren ...

Artemis & das zweitausendfünfhundertzwanzigste Gedicht

Artemis-Statue im Schloßpark Glienicke

Februar 2024 (Rückblick 2)

Sodann beschloss der Februar,
Dass dieses Jahr ein Schaltjahr war.
Und man schalt einander bis zur Spaltung,
Verdammte stets die Ampelschaltung:
„Leuchten Rot, Gelb und Grün - heißt das Fahr‘n oder Halten?!“
Ist ein Schaltjahr die Chance, einmal schneller zu schalten?
Die Fregatte „Hessen“ kriegt ihr Go!,
Den „Taurus“ bremst das Kanzler-“No!“
Der Ukrainekrieg feiert den zweiten Geburtstag,
Macron denkt ob Bodentruppeinsätze kurz nach,
Es lässt die Wut im Gazastreifen
Die nächste Brut der Hamas reifen,
Zum Berlinale-Finale lärmen Antisemiten
Und die Bild fragt: „Frau Roth, lassen Sie sich das bieten?“
Ja, die Welt scheint in Entscheidungsnot:
Wie, wann und wo intervenieren?
Plötzlich heißt es, pardauz!, „Der Nawalny ist tot!“
Ja, wie konnte denn sowas passieren?
Die Konflikte, die Krisen, die Kriege - sie drängeln,
Dringen uns ins Gemüt wie Saharasand -
Vielleicht gräbt das Bezahlkarten-Flüchtlinge-Gängeln
Einen dichteren Ruhewall um unser Land!?
Drinnen jagen wir emsig RAF-Pensionäre -
Auf dass die Welt bald sich‘rer wäre.
Was sie am letzten Februar
Dann leider Gottes doch nicht war.

Neuer Garten Blüte & das zweitausendfünfhundertachtzehnte Gedicht

Im Garten vom Schloss Cecilienhof im Neuen Garten in Potsdam

Januar 2024 (Rückblick 1)

Was gab's, was war und was geschah
Im damals ja noch neuen Jahr
Im ersten Monat Januar?
Ja nu, a-nfangs sah man da,
Dass Japan erbebte
An Neujahr, Margrethe
Von Dänemark hat abgedankt,
Ecuador
Erfasst Furor -
Vom Drogenhandel vollgetankt,
Treckerbauern und Beckenbauer
Belegen die Zitzen der Titelblattspalten.
Wo erstere sich auf Berlin-Fahrt erhitzen,
Muss jener nach Abpfiff in Salzburg erkalten.
Es enthüllt und entmüllt uns das Correctiv
Den Potsdam-Kotzkram-Vorjahrsmief -
Da erlern'n wir das Mordswörtchen Remigration
Und zu Pfingsten auf Sylt, da beherrscht man es schon.
Doch rekordzahl'nverdächtig formiert sich Protest
Zum Quod-erat-demonstrandum-Fest.
War ganz schön was los, da in unseren Straßen -
'ne Werteunion (so ganz ohne Herrn Maaßen).

Tudorschornstein & das zweitausendfünfhundertsechzehnte Gedicht

Schornsteine im Tudorstil vom Schloss Cecilienhof im Neuen Garten in Potsdam

Unter auf Krawall Gebürsteten

Wir machen's uns nicht schön, wie Sie
Ob Wohlstandsgrads vermuten -
Wir schießen uns ins eigne Knie
Und filmen uns beim Bluten.

Der morgendliche Joggingkurs
Kreuzt unsre Leidenswege.
Allmächt'ger Kanonklang des Durs -
Nun komm'nwa ins Gehege!

Denn das Idyll als Ideal
Hat abgedankt, Frau Holle!
Das Glück und Pech sind gleich egal,
Sie paradier'n im Molle.

Wir haben Lasten angehäuft
Und wollen uns beschweren.
Uns ist jetzt klar, wie was hier läuft,
Bell'n: "Einspruch, Euer Ehren!"

Die Tonlage heißt einig Wut
Und stetig knickt ein Knie.
Allein der Ärger tut uns gut
Und wir erklären, wie.

St. Borromäus & das zweitausendfünfhundertzwölfte Gedicht

Kath. Kirche St. Karl Borromäus in St. Moritz

Die Scholle

Es gibt da einen Ort, an dem die
Mythen, die Diebe, die Chuzpelust
Seit jeher und fortan besteh'n.

Dort macht sich die Seele bequem, sie
Bewirkt's und tangiert's von alleine. Du musst
Aus eigner Sorge dorthin geh'n.

Denn das Verlieren der Fühler - es schreitet voran!
Dereinst treuer Schüler, begreifst du: Es kann
Früher überzeugt Erlerntes
Hinfällig einstmals erscheinen.
Und als ein sehr, sehr weit Entferntes
Nicht zu dem mehr zähl'n, das wir beweinen.

Es gibt da einen Ort, der speichert
Der Kupferstecher Beute,
Der verliert seinen Sog.

Er hortet so viel, das bereichert.
Misstraue dem Heute,
Das stets dich betrog.

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