Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Kanzel & das eintausendsiebenhundertachtundvierzigste Gedicht

Außenfassade der Allianz-Arena in der Abendsonne

Hexenjagd

Da kreucht es flink im Hexennest -
Ein sattes Glied entsetzt!
Der Inquisitor bebt und bellt,
Das Schlüpferchen benetzt,
Wenn Phantasie mit kühnstem Strich
Verpeinlicht das Befragen,
Dass schlimmster Ahn bestätigt sich -
Kaum lässt es sich ertragen! -
Doch da wir schon so tief gebohrt:
Wie deep drang JENER ein?
Enthemmt ergießt sich Wort auf Wort,
Erlöst von all der Pein.

Ein Stigma ist ein hohler Schlund,
Den Eifernde verfüllen.
Es braucht dazu nicht viel an Grund,
Nur unbeürrten Wüllen!

Willkommen & das eintausendsiebenhundertsechsunddreißigste Gedicht

Auf der Roter Bichl Runde in Unterammergau

Du in den Tugenbergen

In der Fremde XL seinen Namen zu finden -
Das musst du als Eindringling erst einmal schaffen!
Es gilt, sowohl Stolz wie auch Spott zu verwinden -
Schließlich nannte man dich einen Affen!
Um zu zeigen: Da ist jemand rabiat anders -
Doch wenn er sich etwas enthaart, na, dann kann das
Noch was werden mit der hässlichen Rand-Existenz -
Dem Legenden entwendenden Kinderschreck
Mit der Adern entblößenden Hauttransparenz -
Der durch Fettnäpfchen zappende Hektik-Geck!

Du pauktest beharrlich die Sprache und Sitten -
Trotz Gelächter vorm Schlupfloch zur Integration,
Hast dir als Chronist schließlich Geltung erstritten -
Etwas Geld nachgeschoben, doch war's dir zum Lohn:

So gelang unsern Affen nach den Müh'n des Beharrens
Der Aufstieg zum Ding, mit dem Status des Narrens!

Vogelsang & das eintausendsiebenhunderteinunddreißigste Gedicht

Schnitter's Finest - this all makes Sense

Haushaltsunfall ist ein Wort -
Strotzend vor Ergiebigkeit,
Abschussorgien, Massenmord -
Effektiv beim Faktor Zeit,

Gegenknall und Aufprallschäden,
Kopfstoßwucht und Klippenstürze
Reißen an den seidnen Fäden,
Spritzen auf die Schlachterschürze.

Sport spornt an zu viel zu wagen,
Sich Verschätzen - reicher Quell,
Ziel Verfehlen - grad beim Jagen,
Stromschlag, Sturzflug, Kampfduell -

Der Tod ist wie eine Schachtel Pralinen:
Du fürchtest den Fehlgriff - doch alles schmeckt gleich.
Greifst du zu einer der Grellen von ihnen,
Wird man vor Schrecken fast ebenso bleich.

Pinakotheken & das eintausendsiebenhundertfünfzehnte Gedicht

Corona-Weggeführung in der Pinakothek der Moderne

Liegenschaft

Lieber Liegefahrradfahrer,
Ich als Kommentar-mir-Sparer
Staune doch, wie unverdrossen
Du dein Liegefahrrad fährst
(völlig ratschlagsresistent)
Und dich klingelnd (permanent)
Gegen deine Restwelt wehrst.

Aus gern überseh‘nem Tal
Zetert deine Unterzahl
„Hallo, Vorfahrt?!“ unverzagt,
Jäh umrahmt wie überragt
Von jenen Verkehrsgenossen,
Die sich auf dich eingeschossen,
Um vereint sich zu empören.

Dich allein scheint‘s nicht zu stören -
Du drehst weiter flach die Runden,
Forderst deine Rechte ein,
Rohrspatzmäßig, unumwunden -
Vorsatz: Mich kriegt keiner klein!
Wer sich legt mit Liegern an,
Kriegt‘s zu tun mit Kriegern, Mann!

Mancher Zwist bremst viel zu schlicht sich -
Diesbezüglich liegst du richtig!

Mittenwaldente & das eintausendsiebenhundertzehnte Gedicht

Ente bei der Leutascher Ache in Mittenwald

Die goldenen Horden der Positivität

Der freie Spaß: Verrohung,
Der Trieb per se Bedrohung,
Das Dunkel ist auch ohne Schaden
Per purem Dasein schuldbeladen.

Besessen vom Verbessern
Bestückt ihr euch mit Messern,
Die Säbel durchweg krumm gebogen,
Hat sich manch These dumm gelogen.

Der Missmut schon gesteinigt,
Der Wankelmut gepeinigt,
Schwermut von Freudenstrom diszipliniert.
So seid ihr ins sündige Rom einspaziert.

Doch letztlich ermorden
Die goldenen Horden
Jed Ort, noch bevor sie ihn sehen,

Weil sie seinen Wert nicht verstehen.

Stadtmuseum & das eintausendsiebenhundertsechste Gedicht

Ausstellung Welt im Umbruch im Stadtmuseum München

Umbruchnaht

Oh Kraftwerk, oh Schalttafel, oh Apparat!
In euch dampft der Mythos vom Neuaufbruch,
Der Schneisen von frischer Erkenntnis und Tat.
Gebräuchlicher Fortschritt schien nicht nur ein Spruch,
Sondern ein vernehmbarer Einspruch zu sein -
Doch hielt man dies bald durch Vernehmungen klein.

Der Euphor ob berauschender Dienstbarkeit
Von Kraftwerk, von Schalttafel und Apparat
Las sich als Vertrag einer harmfreien Zeit.
Doch unter dem Hoffnungsflor gärte die Saat
Von Gartenerträgen der Mähdrescherei,
Der Umbruch versiegte in mehr Tyrannei.

In das Jahrhundern der Hoffnungsmaschinen
Entfaltet sich wieder der Glaube daran,
Möglichkeit könne der Möglichkeit dienen
Für das mähliche Nähern vom Irgendwann.
Doch Tastflächendruckkraft verschließt nicht die Naht
Zum Kraftwerk, zur Schalttafel, zum Apparat.

Finanzgarten & das eintausendsiebenhundertvierte Gedicht

Konfuzius Statue im Finanzgarten

Stille Verlautbarung

So viel Leute, wenig Plätze ...
Mitten in der Meute ätze
Ich: "Is' klar – die Deutsche Bahn!"
Geistentleert im Größenwahn.
"Boah, ich krieg' hier noch die Krätze!",
Deklamiere ich und hetze:
"Könn'n wir jetzt mal weiterfahr'n –
Oder was is' hier der Plan?"

Doch:

Nicht ein Ton beseelt die Sätze,
Einzig Mimik taugt als Petze.
Das mag ich der Welt erspar'n –
Zu erfahr'n, dass ich's nicht schätze:
Viele Leute, wenig Plätze.

Gipfelfoto & das eintausendsechshundertsiebenundneunzigste Gedicht

Blick auf das Gipfelkreuz vom Grasleitenstein bei Lenggries

Zeitungsjunge

Ach, immer bin ich Typenbild
Und wär so gern Portrait,
Dem Achtung als Beachtung gilt
Auch ohne Assemblee!

Ein Große-Gruppe-Linienstrich
Vereinnahmt mein Gesicht,
Entschuppt so rigoros mein Ich
Zum namenlosen Wicht.

Ich steh hier für den Rest Modell,
Ich werd für ihn platziert,
Bin überindividuell,
Vom Abbild ausradiert.

So werde ich dann dargestellt,
Wie ich mich gar nicht seh,
Als ein Charakter jener Welt,
Doch niemals als Portrait!

Walchenseerunde & das eintausendsechshunderteinundneunzigste Gedicht

Blick vom Jochberg auf den Walchensee

Fünfte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Corona-Plauze, Olivenschiffchen, Quetzal, Granteln, Gendersternchen, Wetten Dass und Reizarmut.

Die vom Reize Gelockten

Am frühsten Morgen steht da schon
Ein kahlgefressner Tag,
So fahl wie gleißend monoton,
Verlockend wie ein Sarg.

Da jemand den Mangel als Chance offeriert,
Weil jetzt vom Banalen Belang emergiert.

"Ich geh dann mal zum Edeka",
Seufzt Intermezzi-Not,
Gibt sich dem Strom hin, Boreout-nah,
Zermürbt vom Leerlauf-Lot.

Man klagt, dass das träge Versacken erschöpft,
Von Bunkerappell-Serien hoffnungsgeschröpft.

Der Rückzugsräume öde Muff
Schürt stetig Appetit,
Sind selbst schon nur noch Fraß und Suff,
Ein schrumpfendes Gebiet.

Erklärte wer, jetzt sei der Angriff vorbei,
Wär'n wir längst verzehrt von der Einsiedelei.

Loisach & das eintausendsechshundertneunzigste Gedicht

Blick auf den Lauf der Loisach vom Jochberg

Fünfte Auftragsversewoche 2021: Gewünscht wurden Gedichte zu den Themen Corona-Plauze, Olivenschiffchen, Quetzal, Granteln, Gendersternchen, Wetten Dass und Reizarmut.

Wetten Dass

Früher war mehr Lagerfeuer
Und das Publikum war treuer.

Früher, da war eine Show noch verbindlich
Unter dem Motto "Wer nix kann, gewinnt nich'".

Früher gab's mehr echte Stars,
Deutlich wen'ger Kameras.

Früher, da wurde noch feist überzogen,
Früher, da hat man meist feiner gelogen.

Früher musst es samstags sein -
Und die Auswahl war beinahe auswahllos klein.

Früher sah'n's gleichzeitig zwanzig Millionen -
Früher schien sich das zu lohnen.

Früher war mehr Wetten Dass
Und Lametta. - Bitte? - Spaß!

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