Slamgedicht

Bei Eiskönigins & das zweitausenddreihundertvierundfünfzigste Gedicht

Der Rekordschneefall in München 2023 vorm Schloß Nymphenburg

Räuberabsichten
(Teil des Großgedichts "Die Räuber 2023", das am 13. Januar 2013 Premiere feiert)

Wir woll'n nicht mehr irgendwen schnöde berauben -
Wir schröpfen die Blöden, indem sie uns glauben!
Wir geb'n ihnen Peanuts und schönste Versprechen,
Für die sie im Gegenzug bald darauf blechen!

Wenn die erst verstrickt sind im Netz unsrer Gaben,
Zahl'n sie an uns Geld, das sie nicht einmal haben.

Die Abhängigkeiten und Daten der Leute -
Sie multiplizier'n jedes Ausmaß an Beute:
Wer die Räuberleiter rauf will, muss erst investieren,
Doch kann kurz darauf nach den Maximums gieren!

Schneebedecktes & das zweitausenddreihunderteinundfünfzigste Gedicht

Der Rekordschneefall in München 2023

Randpersonen uprising
(Teil des Großgedichts "Die Lach- & Schießgesellschaft 2020-23", das ich zurzeit gerne bei meinen Auftritten zum Besten gebe)

Es woll'n ja Herr'n, die harr'n an Rändern
Gern mal die Gesellschaft ändern -

Worauf dann Pfaueneitelkeiten
Allen Anstand unterschreiten.

Kultiviertes Wohnen & das eintausendfünfhundertachtundsechzigste Gedicht

Seiteneingang zur Borstei München

Der Wohltäter (aus "Aufgestaut")

Ich ermittle, vermittle citynahe Objekte
Für ein altengerechtes Wohnen -
Sprich: Ich platziere Noch-nicht-von-der-Erde-Bedeckte
In unsere Fußgängerzonen.
Denn denen ist die Ebenerdigkeit
Wie ein Beet im Garten Eden!
Denen blüht die Zweite-Frühlingszeit
In unrentablen Läden,
Deren "Sorry, wir schließen!"-Schild wir gern verschmerzen
Für barrierefrei-glückliche Best-Ager-Herzen!

Doch noch stellt sich gegen den Einzug der Alten:
Die sinnlose Masse der Kleinkrämerläden!
Wo jeder sich fragt: "Wie könn'n die sich da halten!?" -
Die macht Tradition egoistisch und zäh, denn
Ej, was legitimiert hier bei strenger Betrachtung
Die Meisterhandwürste aus eigener Schlachtung?!
"Da werde ich immer mit Namen begrüßt!" -
Und mit Charme wird die arg kleine Auswahl versüßt.
Nur: Der Shop um die Ecke ersetzt dort kein Bett -
Und wozu gibt's eig’ntlich das Internet?!
So sperrt sich stur der Einzelhandel
Gegen der Gemeinschaft Wandel!

Doch nie sammeln sich Wartende vor einem Laden -
Nur vorm Postamt, die Online-Retouren-Nomaden,
Die reihen sich täglich, Paket an Paket,
Als sichtbarer Trend, der auch künftig besteht!
Mir als Kaufmann gebührt es nicht, das zu verdammen -
Ich zähle da nur eins und eins mir zusammen
Und gelange recht schnell an die erste Million!
(Wohl zum ersten Mal, dass diese Läden sich loh'n.)
Statt Buchhändler, Feinkost- und Weinmost-Anbieter
Verdien'n unsre Straßen solventere Mieter!

Noch räkeln sich dort Bussi-Bussi-Boutiquen,
Doch muss man nicht erst deren Kontostand leaken,
Um als Fazit zu ziehen: Das geht sich nicht aus!
Wenn ein Gläubiger anklopft, muss eh alles raus!
Denen hängt schon die Schuldenlast modrig im Nacken -
Von mir kommt das Angebot, schneller zu packen!

Ich mein’, es gibt Dinge, die ich für gemein halt' und schlecht -
Doch dies ist nur ungemein altengerecht!?

Slam 2018 & das eintausendsechzigste Gedicht

Vorm 25 Hours Hotel

Ausschnitt aus dem für den Feature-Auftritt beim Slam 2018 geschriebenen k.u.k.-Teamtext

Ein Geschenk

Ja, Hallöchen, Popöchen - wen ham wir denn da?!
Ihr versmaßtauben, kross-fritierten Schweineöhrchen!
"Mein Gott, Mutti, ich glaub's nich – da steh'n k.u.k!"
Na, Zeit wird's für Woah!s oder Boah!s oder Böah!chen!

...

Wir sind keine Prinzen, wir sind keine Bettler –
Auch wenn wir so aussehn –, nicht Waldorf und Statler,
Wir sind auch ganz sicher nicht Schiller und Goethen –
Wir sind k.u.k. – Yeah! – Koslovsky und Klötgen!
Das reimt sich nun echt nicht! – Es sei uns verziehen!
Wat hab'n wir ob unreiner Reime gespieen ...!
Die sich ernsthaft beim Slam in das Bühnenlicht drängen
Man fragt sich: Wie tief können Messlatten hängen?
Doch wenn's nicht gelingt, Stümperei zu vermindern
Dann lässt sich 'ne Engelmann ooch nich verhindern!
Uns war's stets Passion, unsre Zeil'n zu vollenden
Anstatt sie mit seiernden Pathos zu schänden

...

Auch wenn's für uns Zeit war, die Segel zu streichen
Zieh'n wir heut die Säbel, die Jury zu eichen!
Drum nehmt unsern Rat an und lasst euch nicht blenden
Von denen, die hier ihre Seele verpfänden
Und spritzig wie aalglatt euch nach dem Mund reden
"Die sprechen mir voll aus der Seele!" - Auf jeden!
Vieles wurde ja ausschließlich dafür geschrieben!
Und das ist gar nicht ehrlich. - Nö, nur hintertrieben!
Ist was altherrenwitzig, was unsäglich trist
Straft's ab, sobald es eklig ist!
Doch sind Inbrunst und Verve auch im Wortschatz zu seh'n
So hadert nicht lange und zückt eure Zehn!

Isarlauf & das achthundertneunte Gedicht

Isar

Ripostegedicht zu "Der Reiter und der Bodensee" von Gustav Schwab

Die anderen Reiter und der Bodensee

Tief unten und in Bodennäh'
Harrt auf dem Grund vom Bodensee
Die Reiterschar, die übers Jahr
So durch das Eis gebrochen war

Von Zeh und Huf bis zu den Ohren
Starr'n Ross und Reiter schockgefroren
Hinauf zur milchig strahl'nden Schicht
Wohlwissend: "Manchmal hält die nicht!"

Und jeder, der hindurchgerammt
Schwebt nun zum Zombietum verdammt
Im kühlen Nass, wo nichts verdirbt
Bis er im Frühling richtig stirbt

Wenn Sonnenstrahl die Eisschicht taut
Wird auch der Körper abgebaut
So lange müssen unten warten
Die hier ein Stockwerk tiefer traten

So muss manch Recke nutzlos dümpeln
Im Bodensee und andren Tümpeln

Doch, horcht! Da naht auf seinem Rosse
Vom Ufer ein künftiger Leidensgenosse!

Schon trabt er mit immer leicht schlitternden Tritte
Zum Eingangsbereich der schon knisternden Mitte
Dumpf durchwabert der Schall von dem Todesgalopp
Die zermürbende Stille des Sees, bis dann "Stopp!"

Ein Leichnam namens Bertram schreit
"Ihr Mannen, macht euch mit bereit!
Entreißt eure Leiber des Winterschlafs Betten
Treibt mit mir nach oben, den Knaben zu retten!

Stützt mit den Leibern eurer Rappen
Die Eisschicht, wo sie einen schlappen
Und kläglich tragend Eindruck macht
Und wo's beim nächsten Kleindruck kracht!

Nun, Freunde, was soll ich euch lange behellen
Ihr kennt wohl am besten die heikelsten Stellen!
Vollbring'n wir's mit vereinter Kraft
Dass er's ans andre Ufer schafft!"

Kurz drauf wird die Schicht, wo ihre Deckkraft im Argen
Von den Rücken ertrunkener Pferde getragen

Schon donnert heran das Getrommel der Hufe
Von vorderster Front hört man Jubel und Rufe:

"Es hielt - wir hielten's! Er hat uns passiert!"
Und wenn auch manch Sprung durch die Eisdecke sirrt
Solange die Schutzschicht nur splittert statt bricht
Hält auch noch die Mitte des Reiters Gewicht

Und im Zentrum von alldem hält Bertram sein Ross
Den gefall'nen Gefährten im See nun der Boss
Da der durchschlagskraftmächtigste Tritt auf ihn bangt
Und er nur ruft: "Treffer. Mitnichten versenkt!"

Da schöpfen auch die, die's noch treffen wird, Mut
Zudem dort das Eis mählich dicker wird. "Gut,
Den kritischen Teil hat er nun überwunden
Und bald auch den Weg an das Ufer gefunden

Wo im Schatten der Berge es stärker gefriert
So dass ihm von nun an wohl nichts mehr passiert!"
Da jubelt die Schar und man gibt sich Highfive
Sie tanzen und singen zu "Stayin' Alive"

Doch kommt ein Zwerg hervorgekrochen:
"Just dort bin ich ins Eis gebrochen!"

"Just wo?!" "Nun, er reitet geradewegs hin!
Und dort ist das Eis wirklich dünner als dünn!"

Weh! Niemand traut da gern seinen Ohren
Nur Bertram gibt dem Pferd die Sporen
Und sein treuer Gaul schießt durch das Nasselement
So wie man das höchstens von Seepferdchen kennt

Schon ist's - so sehr strengt es sich an
Gleichauf mit jenem Reitersmann
Wie ein gekipptes Spiegelbild
Dort arglos - da entschlossen wild

Nun wird auch die Gefahr reell:
Den See trifft hier ein warmer Quell
Macht's Eis porös wie Blätterteig
Durchschmetterbar vom kleinsten Zweig

Um zu erkenn'n: Das hält ihn nicht!
Braucht es nicht erst 'nen Testbericht
Auf Verstärkung zu warten, dazu fehlt die Zeit
Also plant Recke Bertram die Rettung zu zweit:

"Wir bleiben stetig unter ihnen
Geleiten sie so wie auf Schienen

Und öffnet sich des Eises Spalt
Geb'n unsre Körper ihnen Halt!"

So ward zum Peak vom Eisschicht-Schwund
Das Pferd dem Pferd ein Untergrund
Bewahrt' es vor dem kühlen Grab
Perfekt getimet im Hucketrab

Dem Highsporn, der nach vorn nur stiert
Wird nicht gewahr, was hier passiert
Schon nimmt er mit 'nem Riesensatz
Im Fließ der Uferwiese Platz

Bloß Pferd und Bertram treib'n zerfetzt
Vom Hufgetrampel arg verletzt
Im eisfrei'n Teil des Sees herum
Wo sie sofort verwesen - dumm!

Denn kaum am Sauerstoff gerochen
Schält sich das Restfleisch von den Knochen
Trotzdem feiert nun stürmisch: "Oh, Bertram, du Held!"
Der Reittrupp Unterwasserwelt

"Siehst du ihn, noch?" "Ja, er erreicht jetzt das Dorf!"
Von den brüchigen Lippen des Boss' blättert Schorf

"Erzähl uns, was tut er?" "Er blickt grad zurück!
Ich denke, allmählich begreift er sein Glück.

Und nun ... bitte, nein! Gott, das glaub ich jetzt nicht!"

Na, ihr kennt ja das Ende vom andren Gedicht!

Schwanengesang & das fünfhunderteinundzwanzigste Gedicht

Zum Einstieg in eine neue Woche mal wieder ein etwas längeres Gedicht - in Slam-Länge, ohne je einem Slam ausgeliefert zu werden.

Meine Stimme

Ich werde nun meine Stimme erheben
Mit erhaben bebender Koloratur
Es verstummt und verdimmt alles übrige Leben
In huldvoller Ehrfurcht vor meiner Bravour
Und Erfüllung erfüllt noch den nüchternsten Raum
Flutet hinterste Reihen mit stimmigen Flüstern
Mein Timbre setzt trefflich zum Singflug an, kaum
Dass die Vorahnung schwanengleich ziert meine Nüstern
Dann ertönt Primadonner
Als wenn 500-Tonner
In Kolonnen der Menschheit Vokaltrakt beführen
Da durchdringt jeder Ton
Wie 'ne Oper-ation
Überwältigte schiel'n nach den Notausgangstüren

Noch bis in die obersten Ränge gesesselt
Ist von meinen Stimmbändern jeder gefesselt
Gebannt ob der Grazie der Präzision
Im Kitzel bezirzt vom Vibrato-Gezier
Schon ist meine Stimme nur Stimulation
Und Legato-geglättet, Staccato-bespickt
Wird die Opern-Air mit Resonanz eingedickt
Bis ins Tremolo schließlich ich reintriumphier'

Dass glockenklar säuselnd
Und nackenhaarkräuselnd
Sich zungenzärtlich Schall ergießt
Als Wärmeschwall ins Herz zerfließt
Ein Ohrenmuschelkuschelflaum
Der flauschig, wie durchhaucht von Schaum
Vor schierem Glück verzückt den Saal
Zum blümeranten Lendental
Und ihn, obschon man's anders schreibt
Zu wohligstem Ohrgasmus treibt

Und in solchem Moment nimmt die Welt unsre Hand
Sie erklimmt mit uns Höhen, die keiner gekannt
Plötzlich öffnet sich vor uns ein Klangfarbenmeer
Alles Darben vernarbt, tiriliert frei umher
Und himmelsgleiche Leichtigkeit
Eicht unser Dasein für die Zeit
Da ich meine göttliche Gabe entfalte
Ja, in meiner Stimme, da zeigt sich der alte
Von uns angebetete Schöpfungsminister
Und entgrenzt meine Stimmlage aller Register
Dass ein Gipfelgefühl sich wie endlos verlängert
Die Luft von Dynamik und Reinheit geschwängert

Dann lass ich voller Anmut die Triller versanden
Lass alle Fregatten in Singapur landen
Elegant temperiert und mit Kraft ohne Müh
So dass jeder versteht: "Arien ne va plus!"

Und mit welchem Getös' kulminiert der Applaus!
Ja, mich hier zu erleben, vergrößert dies Haus!
Kaum einer begreift, was da mit ihm gescheh'n
Denn man hat nicht nur zugehört - man hat: geseh'n

Als ich später dann in der Solisten-Garderobe
Mich über mein Spiegelbild selbst stürmisch lobe
Da klopft's - mit zaghafter Schlagkraft, ganz leis'
Ich öffne - und vor mir: ein hagerer Greis
Sagt, indem er es tut: "I-ich möchte nicht stören
Und ahn', dass Sie das nicht zum ersten Mal hören:
Doch mir, der ja nicht grade jung ist an Jahren
Ist solch ein Belcanto noch nie widerfahren!
Ihr Singen hat mich, ich will sagen: berührt
So dass mein ergebenster Dank Ihn'n gebührt!"

"Ja, rührend! Ich rührte Sie? Herzig - und doch
Gäng's mir das Rühren, würd' ich besser Koch!
Den Konservatorien sag ich dann adé
Nenn' Topf und Konserven mein Spielfeld in spe
Statt Disziplin beim Kehlenquälen
Würd' ich ganz einfach Zwiebeln schälen!
All das Raucherkneipen-Meiden
Zittern vor Erkältungsleiden ...
Nee, schnell das Tischlein eingedeckt:
"Hast gut gerührt, hat gut geschmeckt!"
Drei gestrichene Löffel fürs gestrichene A
Sie hab'n ja recht - wie wahr, wie wahr:
Ich sollte für die Leute rühren!

Nun, um das kurz mal auszuführen:
Mir geht's drum, Menschen aufzuwühlen
Hochzureißen von den Stühlen
Sie zu baden in Gefühlen
Die sich weigern abzukühlen
Ich will Dinge verändern und neue gebären
Die ohne uns Sänger nicht vorstellbar wären
Und konnt' mein Gesang das bei Ihn'n nicht entfalten
So könn'n Sie den Blumenstrauß gerne behalten!
Wär mir mein Wirken einerlei
Gäb ich meine Stimme doch gleich 'ner Partei!
Adieu, ich will Sie nicht vergrätzen
Nur so mag ich Ihr Lob nicht schätzen!"

Und ohne ein Wort / Schleicht er sich fort
Doch kurz darauf - greift mich der Spleen
Dass mir der Herr bekannt erschien
Auch wundert mich, wie der Vagant
Den Weg zu meiner Türe fand
Da streift mich die Ahnung wie's Beil vom Schafott:
Der fremde Alte - das war Gott!

Hernieder gekommen von ganz, ganz oben
Mich für den Gebrauch seiner Gabe zu loben!
Wie leer schaut nun mein Schminktisch aus
Ohne seinen Blumenstrauß ...!

Wird er mich jetzt des Hochmuts strafen
Wie andre, die sich mit dem Herrn überwarfen?
Wird mir das Talent, das ich von ihm bekommen
In all seiner Durchschlagskraft wieder genommen?
Ist mein Charisma bald schon verlorenes Ringen
Werd' ich gar verdonnert zum chorischen Singen?
Muss meines süßen Timbres Weichheit
Verschwimmen in der Stimmengleichheit?

Ich erbitte mir Nachsicht, Herr - und hoff' nicht zu spät
Für meine Singularität!
Du segnetest umfangreich mit deiner Gunst
Die aus meinem Kehlkopf entschwebende Kunst
Dass sie die verstecktesten Winkel erfülle
Den Saal, das Theater, die Stadt gar umhülle
Diese Stimme, die auch noch den Kosmos verschlingt -
Bin doch selbst nur ihr Körper, auf der Bühne, der singt!
Und wenn ich Zorn auf das Lob meines Lehnsherren lenkte
Weil ich meinte, es tauge nicht für die Geschenkte
Wenn ich darob gestört deine himmlische Ruh ...
So, vergib mir, oh Herr, nur ...das stand mir auch zu!

Worms & das zweihundertneunundsechzigste Gedicht

Worms

Zu Gast bei den Nibelungenfestspielen. Mit dem dritten Teil des Buches:

Die Hagen-Klage

Hagen, oh Hagen - welch hässlich Betragen!?
Dir bleibt zwar das "Sehr Gut" in Leute-Erschlagen -
Doch kannst Du mir sagen, was das hier jetzt soll,
Du notorisch grimmer und grollender Proll
Aus der B-Prominenz der burgundischen Garde?
Ey, ich mag das kaum glauben - hast Du wirklich jetzt grade
Dem Bübchen von Etzel den Kopf abgeschlagen?!
Was? ... Dich nerven halt manchmal die Hunnensohnblagen!?
Klar, und schnell noch den Erzieher entsprechend verkürzt,
Nen Spielmann per Handschlag ins Unglück gestürzt ...
Wenn Du einen Schlaganfall kriegst, werter Hagen,
Endet manch Körper bald knapp überm Kragen!
Und dann tönst Du vortrefflich: "Jetzt leg ich erst los!" -
Legst Tonnen Innereien bloß.
Das fanden die Nazis zwar knorke wie Bolle -
Doch mir scheint, Du hast Dich nicht unter Kontrolle!?
Woher stammt Deine Lust an der anderen Autsch?
Magst Du drüber reden? Hm? Da steht die Couch.
Zuallererst sag mal: Wo liegt eig'ntlich Tronje?
Ach, das ist eine Grafschaft von Testosteronje -
Ein Landstrich, wo sich stets verbarg
Ein menschenschlag'nder Menschenschlag ...?!
Sag, hat auch Vater Aldrian Dich öfter geschlagen -
War ihm Bruder Dankwart der töftere Hagen?
Hat Mama Dich nicht richtig aufs Töpfchen gesetzt?
Und da damals schon Hass ward gesät, hasse jetzt
Ständig Beef? Junge, ich frag mich: Sind Deine Hiebe
Bloß schief eingesungene Schreie nach Liebe?
Schon alleine, wie Du unsern Gunther umgurrst
Als treueste Vasallenwurst -
So pflichtergeben, ritterlich!
Ey, Hagen, komm - ich bitte Dich:
Für den musst Du Deinen Input aufs Schwert reduzieren
Und Innere Werte aufs Torso-Tranchieren!
Fühlst Du Dich dort im Wormser Land
So als Person auch anerkannt?
Ja, kaum sprech' ich es an, stehst Du voll unter Dampf!

Übersprungshandlung: Reiterkampf!
Schnell zu den Buhurten spurten,
Lanze greifen, Helm umgurten -
Heidenspaß, wenn Schilde krachen -
Garstig schauen, schallend lachen ... Hargh! Hargh! Hargh!

Nun zurück zum Ernst des Lebens -
Kerl, sonst war unsre Sitzung heut völlig vergebens!
Was gar nicht zu bekritteln is',
Dass Du ein 1A-Ritter bis' -
Nur diese ewige Mordlust, Dein Geifer, die Wucht
Schein'n mir wie Symptome von Eifersucht.
Ich weiß, du verneinst es gern wild und entschlossen:
Doch bist Du ein wenig in Kriemhild verschossen?
Es fehlt nur an Wortschatz, dies auszudrücken -
Und so schaffst Du bei and'ren halt Platz überm Rücken.
"Hä, was ey?! - das kannst Du jetzt gar nicht versteh'n?
Na, ich fass mal zusammen, was bislang gescheh'n:
Zunächst missbrauchtest Du schändlichst Kriemhilds Vertrauen,
Um in ihren Gemahl einen Speer zu verstauen:
Auf die einzig verwundbare, tödliche Stelle
Von Siegfrieds durch Drachenblut steinharter Pelle
Hat sie Dir ein Fadenkreuz gesetzt,
Durch das Du ihr'n Mann und dann sie hast verletzt.
Nach dem Mord hast Du flugs ihren Hort noch verschenkt
Und in den Rhein hinein versenkt.
Siegfrieds Schwert steckt seither schick bei Dir in der Scheide,
Auf dass die Kriemhild rischtisch leide...!
Du gönnst ihr nicht den zweiten Gatten,
Magst den'n keen Besuch abstatten ...
All dies "Etzel, nee!" und "Kriemhild, bäh!" zeigt mir, sofern's nicht Feigheit ist,
Dass Du ihr zugeneigter bist
Als Du ... Was ist mit Dir, Hagen, Du zitterst?! 'N Krampf?

Übersprungshandlung: Reiterkampf!
Schnell zu den Buhurten spurten,
Lanze greifen, Helm umgurten -
Heidenspaß, wenn Schilde krachen -
Garstig schauen, schallend lachen ... Hargh! Hargh! Hargh!

Noch mal zurück zum Thema Liebe.
Nun, lassen wir Kriemhild mal weg - gut, da bliebe
Noch Volker. Der Fiedler! Dein Lieblingsgefährte -
Der doch etwas unkritisch von Dir Verehrte.
Von Anfang an prägt das gemeinsame Reisen
Ein krankhafter Drang, sich als Held zu beweisen:
Den Fährmann enthaupten, den Paster ertränken,
Das einzige Schiff für die Rückfahrt versenken.
Dann mit Volker so voll cool vor Hof provozieren
Und neckisch des Etzels Dezenz kommentieren
"Feigling!" - denn, hey, Ihr wollt noch eskalieren,
Hier und da wen massakrieren,
Euch brüderlich im Kampf beistehen,
Hurtig Hunnen niedermähen ...
Du lobtest nun schon - ungelogen -
Wohl zwölf mal Volkers Fiedelbogen.
Und mit dessen Kampfwut fühlst Du Dich so symbiotisch -
Vielleicht auch ein Fitzelchen homoerotisch?
Treibt Euch die Angst vorm Coming-Out,
Dass Ihr so eifrig rammt und haut?
Zerstückelt Ihr im Schwerterfight
Nur unterdrückte Zärtlichkeit?
Und statt als liebende Musen müsst Ihr Euch gebärden
Wie die derbsten Prolls auf Erden?!

Wo ist Deine verwundbare Stelle, Hagen?
Wart, als Dein Psychiater kann ich das wohl sagen
Und näh Dir ein Kreuzchen - Du kennst solch Methoden -
Auf die taube Verbindung von Resthirn und Hoden.
Du sonnst Dich im Selbstgefall'n "Weil ich es kann!" -
Hältst Dich für den rühmlichsten, kraftvollsten Mann
Du huldigst dem "Ehre und Blut"-Ideal -
Doch Tschuldigung, Hagen - das ist nicht normal!
Wer wehrlose Kinder noch munter zerdrittelt,
Der scheint mir doch minder- bis unterbemittelt,
Brutal verspult und widerwärtig -
Ja, einmal kurz durchatmen, ich bin noch nicht fertig!
Die Kampftreue, die Du Dir zu Tugend erhebs' -
Das ist der Nibelungenkrebs!
Dies schmierige im Pathos Suhlen,
und als ein Held herumzuhoolen ... -
Denk nicht, dass die Nachwelt Dich dafür begnadigt!
Zwar ham Dich die Nazis mal stalinbegradigt -
Doch wer in Kampflust versteift, der verlässt diese Welt
Als ein elender Abschaum - nur niemals als Held!
Und es führt auch kein Fluchtweg aus diesem Gedicht.
Und 'ne Übersprungshandlung - die rettet Dich nicht!

Zweihundertfünfzig & das zweihundertfünfzigste Gedicht

Innsbruck

Wer denn da maulte, ich würde ja nur sehr kurze Gedichte in diesem Jahr verfassen, sei auf dieses Gedicht verwiesen. Eines aus meiner Reihe "Die Oscar-Balladen", von denen es bereits die weiblichen Helden-Balladen zu den Filmen Die Eiserne Lady und Black Swan in diesem Blog zu lesen gab. Neben fünf weiteren Gedichten in 5-Minuten-Slam-Länge. Was eine Einladung sein soll, ruhig allen Seiten des Blogs mal einen kurzen Besuch zu gönnen und persönliche Schönheiten ausfindig zu machen!

Jasmin (Blue Jasmin, Cate Blanchet)

Und wieder wird kein Blue Moon gespielt ...
Man sah ja, wie seltsam die Frau sich verhielt
Die unentwegt plappert und ihr Schicksal erörtert
Seit ihr wirkliches Leben die Pleite zerstört hat
Ihr Mann Hal war ein Trickser - sie selbst nie Komplizin
Nur zweifelsrein treue Champagnernovizin
Eine Anrüchigkeit stand für sie weit außer Frage
Doch rutschte dies Bild vor Justitias Waage
All der Basen und Stabilitäten beraubt
Aus dem Rahmen, an den sie so stolz hat geglaubt

Aus purer Gewohnheit fliegt Jasmin Erste Klasse
Doch nie war die Welt für sie knapper bei Kasse
Dass sie sich bei Schwesterchen Ginger einnistet
Die ihr Leben und Lieben im Tristesten fristet
Die sich Hals über Kopf an Gewöhnlichkeit bindet
Und niemals den Weg zur Persönlichkeit findet

Mit zwei völlig belanglosen Blagen als Erbe
Der Scheidung von Augie, der einst dröge wie derbe
Das Klassenbewusstsein Jasmins torpedierte
Dann die Chance seines Lottogewinns investierte
Weil halt Hal windig hohe Renditen beschwor
War er ein Trottel mehr, der da alles verlor

"Ach, da halt' ich mich raus!" hast du stets kokettiert
Für den Grundstein der Villa dich nie interessiert
Nice try, Blue Jasmin! Leider nur
Kam dir das Leben auf die Spur
Denn dein Hal hat nicht nur seine Kunden belogen
Nein, auch dich immer wieder und wieder betrogen

Alle wussten davon - deine Freundinnen eh!
Nur du hast mit Kräften die Welt ignoriert
So schließ deine Augen, glaub weiter und fleh!
Aber spürst du, wie brüchig der Boden dir wird?

Er wird dich verlassen - schläft mit einem Au Pair!
Zieh den Kopf aus dem Sand, hey, du musst etwas tun!
Der Wall deiner Blindheit hält all dies nicht mehr
Und niemand spielt für dich Blue Moon ...

Hal fand man dann in seiner Zelle erhängt
Von Handschellenfestnahmedramen gekränkt
Der Arme ward schwer angeschwärzt
Von jener, die seine Affair'n nicht verschmerzt
Doch folgte Jasmins Intrigieren / unverwandt das Konfiszieren
Ihres hehren Hab und Guts / des unbeschwerten Übermuts
Noch grad so galantvoll im Extravaganten
Ergibt sich das Bild der zum Abstieg Verbannten
Verstoßen durch das, was sie unlängst verlor
Die Villa, den Schmuck und das Kleid von Dior

Im Strudel der Traumata platzt ihr der Schädel
Und das Durchdreh'n beschleunigend, purzelt das Mädel
In die Tiefe vom Nervenzusammenbruch
Ihr Hirn umweht fortan der Schwefelgeruch
Eines schwelenden Brandes im ruhenden Wahn
Auch Prozac-gebändigt schlingert sie aus der Bahn ...

Sie sucht neues Leben, will wieder studieren
Als Sprechstundenhilfe den Plan finanzieren
Sie setzt wieder Kurs, mag sich selber nicht schonen
Erträgt den Computer und Konversationen
Mit verrohten Idioten aus Schrauberwerkstätten
Die siegesgewiss sich ans Schwesternpaar kletten

Und aus der Nähe zu solchem Pack formt sich dein Nein
Und bestätigt, zu Bessrem berufen zu sein
Ach, du schönst doch schon wieder an deiner Fassade!
Mensch, du checkst doch schon wieder im Wirrnisschloss ein!
Für die Fadheit des Lebens bist du dir zu schade
Doch bahnt sich der Alptraum den Weg durch den Schein

Denn dein Chef trägt ja plötzlich die bunten Krawatten
Weil er, allmachtermuntert, das Wagbare wittert
Er drängt, deine Hilflosigkeit zu begatten
Ein Bruch, der dein tapferes Standbein durchzittert

Und auch Dwight, der dein Glück neuer Zukunft geküsst
Hast du viel zu viel Stil und Noblesse vorgegaukelt
Wie lang hältst du dich dort noch im Lügengerüst
Das schon mächtig in dämmernder Wirklichkeit schaukelt?

Von Chili wird Ginger sich sicher nicht trennen
Mag der auch verlassen im Supermarkt flennen ...
Denn nach ihrer Flucht in 'ne Party-Affaire
Stellt der Neue mal klar, dass er sie zwar begehre
Doch für das bisschen Gepoppe seine Ehe riskieren ....?
So muss sich auch Ginger zurückorientieren
Nein, für sie führt kein Weg aus dem Elend hinaus ...!
Nur Jasmin sucht sich schon 'nen Verlobungsring aus
Sie spürt einfach: Dwight ist der richtige Mann!
Ach, wie schnell sie das Herz seiner Mutter gewann!

Ich liebe Zinn! - Nein?! Ach, das passt ja perfekt!
Schon wird eine Welt voller Gleichklang entdeckt
Besiegelt mit noch einem Kuss. Ja, nach Wien
Will Dwight mit ihr zusammen zieh'n!
So federt, tablettengesättigt, das Glück ...!
Doch kriecht auch Verdrängtes ins Sichtfeld zurück

Der Zufall schickt 'nen bösen Geist
Den schwarzen Fleck, der Augie heißt
Der breitet feist aus, was von Jasmin verschwiegen
Und Dwight muss von Hal und Sohn Danny erfahren
Als Täuschungen, die für ihn derart schwer wiegen
Dass er schnell beschließt, sich die Hochzeit zu sparen

Und schon wieder gerät dir die Welt aus den Fugen
Du stammelst nur flehend ein hilfloses "Nein!"
Du bist neuen Abgründen nahe genug, denn
Es brechen noch weitere Trugschlösser ein
Der verschollene Danny bekennt, dich zu hassen
Er will die Vergangenheit hinter sich lassen

"Verschwinde aus Oakland und aus meinem Leben!"
Erschrocken erstarrst du, mit innerem Beben
Versuchst dich zu sammeln, den Schmerz zu verdauen
Du atmest tief durch, beginnst Nägel zu kauen

Wie oft fängst du dich noch, eh es wieder zu viel ist?
Längst zeigt es sich doch, dass du viel zu labil bist
Mit wem sprichst du denn da ohne Komma und Sinn?
Schon hörst du entfernt ein Blue Moon, immerhin

Und die Frau, der schon wieder ihr Leben entglitten
Sie irrt einsam, mit Schwester und Stiefsohn zerstritten
Durch die Stadt, redet wirr und verstört alle Leute
Als von Demütigungen getriebene Beute
Angestrengt fahrig, mit Gesten voll Wahn

Und dem Drang, sich durch strähnige Haare zu fahr'n
Doch nichts ordnet sich mehr
Und die Welt bleibt verdreht

Und dies findet nur fair
Wer den Drang nicht versteht
Sich zu strecken nach brüchiger Schönheitsidylle

Um all deine Träume senkt sich nun die Stille
In der die alten Melodien
Nur anteillos vorüberzieh'n

Schon sehr weit entrückt, weißt du, tief in dir steckt
Ein eitler Innenarchitekt

Der entwirft dir die Welt und bald kommt's dir so vor
Als trügst du noch immer dein Kleid von Dior

Iphofen & das hunderteinunddreißigste Gedicht

Iphofen Weinfest

Iphofen, Weinfest. Und ein eigens hierfür verfasster Text.

Dem Rauschen

Oh holder alkoholischer Rausch
Du mein Hektik-Hirn bettendes Daunengebausch
Du durch Reben verstrebtes Konstrukt von Genuss
Süß-samten strömender Überfluss
Belebend, benebelnd und alles vergebend
Was an Herzweh und Kummer das Leben durchwühlt
Der Dreckrand, die Räude - all das Lahmen der Freude
Wird vom labenden Trank in das Jenseits gespült
Gedämpft und gefiltert vom Wohlgeschmack
Und dem locker beschwipsten "Na, allet im Lack?"
Denn was bräuchte es mehr
Um sein Sein temporär
Von all dem Elend abzumelden
Als ein Glaserl voll Saft
Rauschentliehener Kraft?
Das Hemmungen verhehlende Serum der Helden!

Gegärt mit der Stärke der Stimulanz
Und den Feuerwerkskörpern der Endorphine
Auf zum gleichtgewichtsschwachen, euphorischen Tanz!
Dem Torkeln und Lallen mit glücklicher Mine
Alles Drängen der Welt - es bekümmert uns nicht!
Du tauchst selbst das Dunkel in günstiges Licht
Bist als Tropfen Ration
Schönheitsoperation
Das Botox der Gemütlichkeit!
Holst aus jedem Feste
Kritiklos das Beste
Beträufelst mit Stimmung selbst die lästigste Zeit
Oh, selige Redseligkeit
Mit Schulterschluss und Bruderkuss
Nur neue Freunde weit und breit!
Ja, noch ma ne Runde hier, aber mit Schuss!

Ach, da hinten ist grad einer kräftig am winken
Das sei doch nicht gut und man stürbe vom Trinken
Nun, heißt das dann wohl, ich stürbe nicht
Wenn ich auf Alkohol verzicht'?!
Tja. Aber wär es das wert?
Ist's nicht grundweg verkehrt
Sich gegen den Segen des Rausches zu wehren?
Dem gelösten Erheitern
Dem Bewusstsein Erweitern
Und Bacchus, den Hopfen, Destillate zu ehren?

Wer behauptet nun käsig, dies sei nur 'ne Flucht?
Welch Cretin, der da niemals nach Besserem sucht
Als das schnöde Ich-Ich der ernüchterten Welt
Wo die schale Enthaltsamkeit öd' sich entpellt

Ja, da I-A'n die Fitnessdonkeys
Verbitterte Entgiftungsjunkies
Die Work-Out-Nomaden der Medical Spas
In Bademäntel eingeschweißt
Deren ganze Ernährung entschlackt wurd' vom Spaß
Ohne Personal Trainer gilt man schon als verwaist
Mit Drill gesundheitsoptimiert
Und willig durchdiszi-spleeniert
Da sitzen sie freudlos überm Rausch zu Gerichte
Stetig in Predigt zum strammen Verzichte
Verdammen mit fast religiöser Erbauung
Die unbeschwerte Weltanschauung

Dass ihr trüben Verirrten es endlich kapiert:
Einzig spirituell ist die Spirituose
Hochgeistiger Alkohol desinfiziert
So reinigt die Seele und bringt euch in Pose:
Alkoholu Akbar! Alk is all and the whole!
Schon schummrig erwärmt trink ich auf euer Wohl
Dass man euch von der Präzisions Kühle erlöse
Euer Kleingeist im wachsenden Hochgefühl döse
Dass ihr anspruchsfrei und zweckgestutzt
Diesen Fluchtweg eures Lebens nutzt
Behüte auch euch der allrettende Rausch!
Die Finsternis der Welt zum Tausch ...

Ihr entgegnet: Du weißt selber, wie unreif du bist
Dass Wunsch nach Rausch arg krankhaft ist
Und das rare Geschenk deines Lebens zerstört!?
Jaja, das mag sein - hab ich auch schon gehört
Doch möcht' mein Leben ja nicht neuwertig weiterverkaufen
Sondern nutze die Chance, es mir schöner zu saufen
Und trotz all der Kranken und Kassen Beschwerden:
Das soll mit uns nix Ernstes werden
Mir geht es nicht um Druckbetankung
Bis zur Alkoholerkrankung
Nur
Um den Zauber des Rausches, das Glück und den Trost
Also, ein Hoch auf die Gläser, ihren Inhalt - und Prost!

Leipziger Buchmesse & das hundertste Gedicht

Leipziger Buchmesse

Jubiläum. 100 Gedichte. Mit Gruß von der Leipziger Buchmesse. Und weil ich nie so recht weiß, was ich dort machen soll, kein Leipziger Gedicht, sondern Teil 2 der Oscar-Balladen. Ebenfalls - wie Black Swan im Teil 1, Gedicht 85 - aus der Unterrubrik "Weibliche Hauptrolle":

Margaret Thatcher (Die eiserne Lady, Meryl Streep)

Misses Thatcher wird unerlaubt Milch kaufen gehen
Das von ihr stramm gestaltete Königreich sehen
Wie's sich ohne Respekt vor die Boss-Lady drängelt
Die resignativ weder aufbraust noch quengelt
Sondern altersmild - weil schon bedeutungslos - aufweicht
Und erkennt, dass am Ende ihr Ehrgeiz nicht ausreicht

Denn wer nur stur den eignen Weg geht
Wird am Ziel alleine sein
Niemand kann, da sich die Welt dreht
Wirklich ewig Sieger sein

"Mom, du kannst nicht mehr allein hinaus!
Das war doch längst so abgemacht?"
Der Taumel der Erinn'rungsstaus
Hat den Rest ihrer Welt durcheinander gebracht
Sie reißt sich zusammen, "shall we dance?" fragt ihr Mann
Und dann reist sie zu Stätten, wo all dies begann

Schier unbeschämt trug sie das Joch der
Provinziellen Krämerstochter
Und stampft die vor Kampfeslust brennenden Zähne
In die träge, morastige Männerdomäne
Der törichten Tories Parteipolitik
Die ihr wackeres Gretchen viel zu lange belächelt
Als ein Dienstmädchen, das sich im Tonfall verstieg
Dessen Bärbeißigkeit bald geschlechtsbedingt schwächelt

Doch Miss Thatcher wird zielstrebig Milch kaufen gehen
Sich des Parlaiments Houses von innen besehen
Sie ministriert vom Frau'ngebiet
Sich schnurstracks in die Downing Street
Und überstrahlt im blauen Kleid
Der grauen Herren Herrlichkeit
Mit stählern onduliertem Haar
Die Perlen - nicht verhandelbar!

Als ein handtaschentätschelndes Teatime-Klischee
Steht sie unumstößlich zu dem, was sie will
All das Tantige ist nur ein Grantig-in-spe
Da ihr hastiges Stimmchen, so schneidend wie schrill
Tönt sich jäh in die Höh bis zum Absprung vorm Kreischen
Um den letzten Cretin das Gehör zu zerfleischen

Denn irgendwer muss das Unsagbare sagen
Und wer nicht rentabel ist, soll auch nicht klagen
Sondern arschtrittbewegt seinen Lebenslauf würzen
Misses Thatcher wird drastisch die Milchration kürzen
Und mit provokantem Prinzipismus
Zügelt sie vom hohen Rosse
Den Malocher-Chauvinismus
Alternder Gewerkschaftsbosse
"Nennt mich, ihr Brüder, bittesehr
Ruhig Bitch of England - i don't care
Werd' mit cooler Mine eure Coalminen schließen
All das Labour-Gelaber soll mich nicht verdrießen!"
Selbst in Bürgerkriegsnähe bleibt Maggie dabei
Dass die Medizin bitter, doch notwendig sei

Auch kein Zornstreich der IRA kann sie so treffen
Nicht bereits aus den Trümmern die Losung zu kläffen:
"Wir werden den Schurken um keinen Zoll weichen!"
Kurz Flaggen auf Halbmast - das soll dann auch reichen
Denn dass jeglich Unrecht ungerächt bleibt
"Das ist, wo uns Schwäche hintreibt!"
Schon zimmert sie Vergeltungsschläge
Zum Geschnurr der Sargholzsäge
Und, ja, niemand wird die Falklandinseln
Je von Englands Falkplan pinseln
Alles bleibt britisch und zermürbt stoppt der Streik
Und Mag kassiert ein Doppel-Like

Doch wer immer nur stur den eignen Weg geht
Wird am Ziel alleine sein
Niemand kann, da sich die Welt dreht
Scheinbar ewig Sieger sein

Zwischen Oxford-Stress und Ochsentour
Kann den Kreis ihrer Lieben sie nur halbwegs umrunden
Den Mann, die Kinder sieht sie nur
In den nicht an den Ehrgeiz verfütterten Stunden

Also, Maggie, shall we dance?
Sprich dein Mantra, letzte Chance!
Es wird einsam um dich und um deine Prinzipien
Das Verständnis wendet sich ab von dir
Doch du setzt auf Konfrontation statt "Vergib ihn'n!"
Kompromisslosigkeit als privates Plaisier
Du wirst nicht gewinnen, Mag, diesmal nicht
Die Triumphe verrinnen, auf die du erpicht
Werden grau mit der Zeit und umarmt vom Vergessen
Trotz der Standhaftigkeit, auf die du so versessen

Wer kennt in einst loyaler Runde
Noch das Wörtchen "obstinat"?
Die Opportunen plan'n im Grunde
Lange schon den Hochverrat
Du kannst weiter dem Pöbel die Milch vorenthalten
Und als sinkendes Schiff deinen Standpunkt verwalten
Bloss im großen Britanien ist für sowas kein Platz mehr
Und ein Rücktritt erspart dir noch größere Patzer

Du lehrtest ein Heer dich zu fürchten und hassen
Nun hat selbst dein Dennis dich letztlich verlassen
"Du kannst doch nicht ohne Schuhe geh'n!?"
Dein Protest kommt zu spät, es ist längst schon gescheh'n

Irgendwann verwebt sich die Welt in das Gestern
Nivelliert sich jed Aufruhr in ebene Flächen
Wo brühwarm und ungesühnt Schwächlinge lästern
Und Eisen sich windet im mählichen Brechen

Gardinengedämpft irrt ein Blick durch die Welt
Mit 'ner Ahnung vom Draußen, die Miss Thatcher missfällt
Diese Sturheit - von keinem Arzt niederzuringen
Und zu Unbeugsamkeit will sie sich wieder zwingen

Misses Thatcher wird unbeirrt Milch kaufen gehen
Die Welt, sie mag sich weiter drehen
Und trägt hart am Gepäck ihrer ruhmreichen Taten
Lässt auch deren Sinn sich nun kaum mehr erraten
Ein aalglatter Brutus tritt statt ihrer ans Steuer
Und die Milch scheint wie jedes Jahr doppelt so teuer

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