Einakter

Alles, was die zwölf Zeilen überschreitet - aber auch noch nicht an die Länge der Slamgedichte/die Vortragsdauer von drei Minuten (oder mehr) heranreicht.

Taubenschlag & das hundertundvierzehnte Gedicht

Tauben aus Amsterdam

Ein Gedicht zur Rehabilitation der Taube.

Die Tauben und wir

Was hat dich die Taube zu hassen gelernt
Dein Schnurren so krass weit vom Gurren entfernt?

Wann störte uns jemals die ungalante
Trippelpickend dicke Tante
Dass man diesen Vogel so kregel unliked
Und nur noch Ekel in uns aufsteigt
Wenn der ungeschickt Flatternde knapp uns verfehlt
Aus dem Garten der Grazie die Unformen wählt?

So erscheint uns ihr Flug nie ganz Vogel genug
Übt die Taube am Zauber des Fliegens Betrug
Ist mehr hektischer Zweck denn ein lautloses Schweben
Ihr geht's nicht um Freiheit, sie will überleben
Sie ziert sich nicht, in unsrer Nähe zu nisten
In Dreck und in Unrat ihr Dasein zu fristen

Nun, wenn der Mensch ein Vogel wär'
Käm' er dieser Spezies vor anderen näh'r

Uns schmeichelte fraglos das Grau der Taube
Das suchende Huschen und Kreuchen im Staube
Auch in puncto Plumpheit gäb's null Differenzen
Nur am Hals würden wir dann wohl nicht so schön glänzen

Marienbad & das hundertundzwölfte Gedicht

Marienbad

Ein Lob dem Schaumbad aus der Bademantelzone Mariánské Lázně.

Im Bade

Ich lass mich von dir ganz umfließen
Du sollst mir Raum, nicht Wasser sein
Wie ließe sich das Selbst genießen
Wenn nicht getunkt in Wärme rein-
-er Duftschauminseltauchstationen?
Dort schweigt die Stille von Äonen
Schon flieht die Hektik des Tages, geschlagen
Und mit ihr die Hektik von anderen Tagen

Man weiß
Die nahende Kälte erahnend
Dies Glück kann nicht von Dauer sein
So preis'
Die labende Gnade des Badens
Und sinke tief, tief in ihr ein

Marionettentheater & das hundertundzehnte Gedicht

Marionetten aus dem Marionettentheater München

Aus dem Marionettentheater München. Sind wir nicht alle ein bisschen ...?

Der Gehängte

Auch tot hänge ich noch am seidenen Faden
Und daran hinab seil'n sich seibernde Maden
Drängen und zwängen sich in meinen Nacken
Um dem baumelnden Körper Gewicht zu entschlacken
Der sackig, fahl und eingefallen
Strebt Schwerkraft suchend mit den prallen
Leichensaft gefüllten Zehen
Weiters Richtung Niedergehen

So häng' ich nun vielleicht seit Wochen

Und hab noch nie so streng gerochen

'S ist gut verpackt, was ich einst hatte

In jene Schlinge der letzten Krawatte

Und raffte auch hin ich am ästhetischen Leide

Sie zumindest ist aus Seide

Osterspaziergang & das hundertundneunte Gedicht

Osterseen

Über Ostern Pause gemacht. Auch hier im Blog. Und dennoch an Euch gedacht:

Ostersuche

Tradiert durch Gottes Kind und Sohn
Drapier ich meinen Finderlohn
Mit aus Ritzen stibitzten Eier-Color
Das der Hase, der nächtens im Weiher erfror
Dort sorgsam für seine Würfe gehortet
'S ward von mir gierig mit Spürsinn geortet
Und auch der Kakaomassenhohlraumfigur
Kam ich schlussendlich auf die Spur
Steckt da, in des Leichnams Backentaschen
Noch lecker süßer Kram zum Naschen?
Ist das, was zuletzt seinen Magen gefüllt
Eventuell von Schokolade umhüllt?
Ich geb' keine Ruh, bis ich jedes entdecke
Der Schleckerei'n trächtigen Hasenverstecke!

Doch den Beutezug werd' zum Dekors ich drapieren
Und klug schaff' ich in meinem Nest
Ein Plätzchen, um drinnen den Sinn zu zentrieren
Von dem ich träume, treu und fest
Denn
Jede Suche macht nur Sinn, wenn
Wir in ihr was andres finden

Amsterdam & das hundertundzweite Gedicht

Gassen Amsterdam

Mit gewogenen Grüßen aus Amsterdam.

Mähliche Engelnähe

Ich kann nun mal nicht ändern, dass
Ich ständig ans Gemächt mir fass'
Erst dann füll' deine Kaffeetass'
Ich mach' das alles nicht zum Spaß!

Die Welt ist halt kein Wunschkonzert
Und manches läuft hier grundverkehrt

Es sind Massen betroffen von Hunger und Kriegen
Wie soll ein Poet all dies Elend besiegen?

Doch, Baby, lass dir deinen Glauben
An eine bessre Welt nicht rauben!
Ich finde es bewundernswert
Wie dich dein Optimismus ehrt

Und klebt auch jetzt noch dann und wann
Am Tassenrand ein Sackhaar dran
Ich stopp das - eines Tages, maybe
Wir können Dinge ändern, Baby!

Substanz & das neunzigste Gedicht

Substanz Poetry Slam

Zurück in München. Zurück im Substanz. Mein zwanzigster Auftritt dort. Damit mein am zweithäufigsten besuchter Slam. Und ein Auftritt steht dieses Jahr gar noch an.

Slam und Substanz

Schau, die Macher schöner Worte
Locken wieder an zum Orte,
Wo in langen Warteschlangen
Hintenan harrt hart am bangen:
Wer da zum Durchquer'n der Pforte
Eine Bahn zu spät gewählt -
Wird wohl nicht nicht mehr 'reingelangen,
Weil beim Slam das Timing zählt.

Dort drinnen durchdringt das Gedränge im Raum
Ein Ohrenmuschelkuschelflaum,
Dass bald im Strahl der Wortkaskaden
Nackige Gedanken baden.
Schön berauscht von Show und Schaum
Krönt man einen Slam-Nomaden.

Mal gewinnt was haltlos Grelles,
Manchmal auch was Substanz-ielles -
Slam-Ruhm ehrt den Star nie lange
Und verweht auch allzu schnell. Es

... ist um eins nur keinem bange:
Ewig währt die Warteschlange.

Easy Isar & das zweiundachtzigste Gedicht

München Isarauen

Die zweite zweitägige Tourpause, die zweite Erkältung. Warum muss man sich gerade dann, wenn man sich erholen sollte, am dreckigsten fühlen? Zumindest das Isarufer hat sich von einer freundlichen Seite gezeigt, den folgenden Text aber nicht verhindern können.

WeltLebenArschloch

Hallo, altes Arschloch Leben!
Magst du mir wieder Saures geben?
Das schier mich in die Knie zwingt
Und scheue Euphorie durchdringt
Bis von dem Takt der Niederschläge
Ich zermartert, lull und träge
Kraftlos und berapplungsmüde
Letztlich optimismusprüde
Niederstrecke meine Waffen?!

Denkst du echt, das könnt'st du schaffen?

Anstatt mich hier ständig zu terrorisieren
Solltest du endlich die Welt korrigieren!
Die auch vom Trog des Daseins frisst
Und so wie du ein Arschloch ist

Niederhone & das siebenundsechzigste Gedicht

Eschwege Niederhone

Schlüsselblume Niederhone. Hier war ich schon zu Gast beim ersten Poetry Slam, als die alte Metzgerei samt Gasthaus gerade frisch bezogen und alle Räume noch mit Retro-Trends setzenden Altlasten gefüllt waren. Zeugnis einer vergangenen Ära, die auch ihre Träume hatte.

Das Zicklein

Komm schnell aus dem Kasten der Standuhr hervor!
Das Schicksal wird sich noch nicht heute entscheiden
Zum Nachtisch entspannt sich der Konquistador
Leichte Brisen berieseln die Knospen der Weiden

Diese Stille ist trüglich
Drum Kindchen vergnüg dich
So lang noch der Schatten dem Tageslicht weicht
Denn Später ist später
Und das Glück ein Verräter
Dessen seltsame Sippe den Dachsbau umschleicht

Was heute selbstverständlich ist
Verleugnet, dass es endlich ist

Ein Stier hat die Tür unsrer Standuhr verriegelt
Im Korridor steh'n lehmverkrustete Schuhe
Ein Glockenschlag später ist alles besiegelt
Und über den Wipfeln der Bäume herrscht Ruhe

Berlin & das sechsundsechzigste Gedicht

Berlin RAW-Gelände

Soloabend in Berlin. Leider zum letzten Mal im Corbo, das Ende April die Pforten schließen muss. Ein Anker weniger in der alten Heimat.

So ist mir Berlin

So ist mir Berlin doch ein andres geworden
Vertrauliches staut sich vorm Abfluss der Nähe
Will mich meine Stadt heut per Dresscode ermorden?
Es bleibt mir verborgen, was ich hier gern sähe

Man muss nicht erblinden
Weil Dinge verschwinden
Wärst du wieder hier
Würdst du anderes finden

Die Stadt heißt dich, brandneue Schätze zu heben
Du stolperst, als müsst es die alten noch geben
Die Gehwegplatten sträuben sich
Schon gerät das Flanieren dir gegen den Strich

So ist mir Berlin doch ein andres geworden
Ob der Blick vom Balkon plötzlich unvertraut ist?
Jede Nacht unterquert von der goldenen Horden
Erneuertem Sog, hängt er da und vergisst

Vancouver & das neunzehnte Gedicht

Mein Vergehen: ein Aufenthalt in Kanada für nur einen Tag. Die Strafe: drei Stunden Warten im Special Customs Bereich. Die Folge: ein halber Tag Aufenthalt in Kanada (postcustoms Bereich). In der Hauptrolle: eine uniformierte, begriffsstutzige, klassenfeindliche Latino-Pagenkopf-Bitch. Falls ihr ihr durch Zufall mal beim Passportcheck in Vancouver begegnen solltet, beschimpft sie heftigst von mir. Es war mir vor Ort bei dem Preis von 100.000 $ einfach zu teuer.

Vancouver

Du entspannteste, chilligste Queen aller Städte
Wär etwas mehr Zeit mir geblieben, ich hätte...
Hätte...
Hätte...
Zwischendurch etwas Sushi gegessen
Hätte...
Hätte auch mit Sicherheit
Hab dann aber nicht - die Zeit!
Mein Aufenthalt war kurz bemessen

Im Endeffekt blieben ja nicht mal zwölf Stunden
Grad genug, um die Uhr, doch nicht dich zu umrunden
Und fünfeinhalb davon hab ich auch noch verpennt
Mal aufs Smartphone geschaut, ob mich noch jemand kennt...

Wie man es auch dreht
Ich war fern vorm Genug
Nun ist es zu spät...
Bis zum nächsten Besuch!

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