Dutzendzeiler

Haidhausen & das eintausendvierhundertsechsundvierzigste Gedicht

Brunnen am Weißenburger Platz

Schreiben & Bleiben

Spät in der Nacht noch was zu schreiben,
Gibt diesem Tag die Chance zu bleiben.
Umklafft mich auch herzschwerstes Gähnen,
Schafft's dieser Vers dich zu erwähnen,
Eh du mir sehr betrunken winkst
Und in der Dunkelheit versinkst.

Und Stille füllt den Raum mit Leere.

Von Worten zugemüllte Schwere
Will ich als schwebend mir bewahren
Zum Trost in spät'ren Lebensjahren -

Du wirst mit diesem Tag verweilen
In zwölf recht spät geschrieb'nen Zeilen.

- Mehr Gedichte über das Schreiben, das Autorendasein und die Poesie -

Schleißheim & das eintausendvierhunderteinunddreißigste Gedicht

Neues Schloss Schleißheim

Schlossparksymmetrien

Mein Augenmerk ergeht sich in
Der Schlossparksymmetrie.
Bald schöpft sich Welt aus einem Sinn,
Im Heil der Dioptrie.

Die Barken der Sichtachsen nehmen mich auf,
Es kreuzen sie Ufer um Ufer.
Ein schnurrender Grundriss beschmust meinen Lauf,
Umsäuselt vom Planquadratrufer.

Ein akkurat' Simultankanon-Geblüh
Bewahrt eine ferne erlernte Idee,
Spielt streng die Verspieltheit, doch löst sich von Müh'

Und ist, wird und war Allerjemals' Allee.

Fledermausfisch & das eintausendvierhundertsechste Gedicht

Fledermausfisch am Anse Source d'Argent auf La Digue

Gerridae

Ich seh den See und drinnen die Fische -
Mich freut, dass ich 'nen Reim erwische
In schnell erfasster Szenerie.
Nur frag ich mich: Versteh ich sie?

Die Eleganz vom Flossenschwingen
Verhöhnt doch dieses ganze Ringen,
Dem Puren auf den Grund zu gehen,
Die Spur zu fassen und zu sehen.

Und wehrt die abgeklärte Ruhe
Nicht alles ab, was ich hier tue?

Frisch gespitzten Stifts durchsteche
Ich des Wassers Oberfläche.

Löwenspinne & das eintausenddreihundertneunundneunzigste Gedicht

Skulptur Pusteblume im Riemer Park

In der Pflicht: Writing Poems like Tonya Harding

Du musst hier noch so viele Kniescheiben brechen,
Noch so viele bleibende Schmähungen rächen,
Du musst dir noch so oft das Arschloch aufreißen,
In all deren satte Bequemlichkeit scheißen,
Du musst ohne Gunst an der Inbrunst dich wärmen
Und flehentlich grell von dem Wirklichsein schwärmen.

Du kannst hier nicht mehr auf mehr Wohlwollen warten,
Musst stur Dinge tun, die nur dir gut geraten,
Du darfst ihre Ablehnung fortan genießen,
Du musst hier mit niemanden Frieden noch schließen,
Bleib einfach alleine - das steht dir so gut!
Bewahr dir nur eine Begleiterin: Wut.

Auf der Sendlinger & das eintausenddreihunderteinundsiebzigste Gedicht

Auf der Münchner Einkaufsmeile Sendlinger Straße

Der Schwerversetzte

Ich kann wohl nicht genug
Auf meine Uhr heut schau'n,
Dein Kommen in Verzug
Als faktisch zu versteh'n.

Ich wittere Betrug
Und suche doch Vertrau'n,
Wenn forschend ich beguck'
Der flotten Zeiger Dreh'n.

Ich kann heut nicht genug
Das Trostlose beschau'n.
Ich schau' und blick' und guck' -
Und würd' viel lieber seh'n.

Valamo & das eintausenddreihundertdreiundfünfzigste Gedicht

Kloster Valamo

Die Erweckung

Ach, jeden Tag verdöste ich
So reiz- und rauschlos klösterlich -
Ich konnte mich zu nichts erheben,
Trudelte nur so durchs Leben
Und vertändelte die Zeit
Mürrisch mit Enthaltsamkeit.

Dein Esprit erlöste mich,
Denn mit dir entblößte sich
Mir eine Arche voll Erstreben.
Der sei mein verschnarchtes Leben
Fortan vollkommen wie vollends geweiht
Mit Hingabe und Frömmigkeit.

Kerimäki & das eintausenddreihunderteinundfünfzigste Gedicht

Decke der größten Holzkirche in Kerimäki

Kleine Adieus

Es war nichts Wichtiges, das ging.
Kein Schatz, an dem man wirklich hing.

Doch sträubt den Samt der kleinen Schmerzen
Die Täubnis deines Zugemuts -
Der sammelt bloß, bald auszumerzen
Die alten Pläne deines Guts!

Dein Stern ist aus der Welt gesunken.
Du hast zu oft Adieus gewunken
Und tat auch keines weh -

Es werden die Veränderungen
Schon längst als Status Quo besungen,
An dir prangt ein a.D.

Husky & das eintausenddreihundertachtundvierzigste Gedicht

Schlittenhund am Saimaasee

Schlittenhund

Gebundene Unbändigkeit -
Die Landschaft lauscht gebannt
Dem Geheule, das aus dem Schlittenhund schreit,
Das Geschirr ist reißleinig gespannt.
Man spürt, es gibt ein Irgendwo,
Das sich vielleicht noch formt.
Der Aufbruch zerrt quirlig und lautstark und roh:
Komm, wir sprinten los, eh ihn wer normt!
Der Lauf allein ist unser Ziel!
Mein Eid aufs "Jetzt geht's los!"!

Das "Weg von hier!", in das ich blauäugig schiel',
Ist nur eisig und weiß - aber groß.

Domplatz & das eintausenddreihundertsechsunddreißigste Gedicht

Der Domplatz in Mailand

Mailand

Korridor und Quarantäne,
Erster Chor des "tutto bene!" -
This land is Mailand, Goethesöhnchen!
Die Kommunion der Kaffeböhnchen,
Der Grundkurs einer Eingewöhnung.

Geschäfte und Geschäftigkeiten -
Pünktlich zu fast gleichen Zeiten!
Kaum Grund, sich umzuorientieren,
Man hustet nicht beim Inhalieren,
Doch den Blick, ihn mäandert schon andere Tönung.

Und unfertig leicht sagt man hier: "Italiener?
Fühl'ma manchma selbs wie eena!"

Kanzleiskanzel & das eintausenddreihundertzweiundzwanzigste Gedicht

Bayerische Staatskanzlei im Hofgarten

Möglichkyten

Das Du und Vergang'ne eint treufest ein Bund
Mit der Wolkenpräsenz vom entlaufenen Hund,
Ja, du erinnerst alles
Immer noch als Möglichkeit.

Oh, du weigerst dich strandhaft den Abstand zu messen
Und entlässt keinen Fußabdruck in das Vergessen,
Nein, dir scheint alles
Unauffindbar, doch bereit!

Nur das Jetzt, wie es ist, hast du niemals erlernt.

Und das Flattern des Surferverkehrs
Ist von dir schon in Kleinigkeit so weit entfernt
Wie das andere Ufer des Meers.

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