Achtzeiler

Piazza Bodoni & das zweitausendachtunddreißigste Gedicht

Die Piazza Bodoni in Turin

Plätze für Größe

Nun über die ganz großen Plätze zu geh'n
Nahe Statuen bedeutender Leute,
Mag ich als mein Chäncechen auf Einsicht versteh'n -
Da ich Demut aus Dümmlichkeit scheute.

Schon schärf ich geschätzten rebellischen Sinn
Unterm Schein von bewährteren Schätzen.
Dem Straßenlärm nicht mehr gewahr, denn ich bin
Auf dem Weg zu noch größeren Plätzen.

Turiner Bergkulisse & das zweitausendvierunddreißigste Gedicht

Blick vom Mole Antonelliana, dem Wahrzeichen von Turin

In Italien

In Italien ist Stadt-zu-Sein spürbar viel größer
Und der Boden aus feinerem Stein.
Jahrhundertgesotten als Einflusseinflößer
Entmüht sich das süßere Sein,
Ist jed Geräsuch Teil einer Kleinmelodie -
Und sinnenversonnen erlauschen wir sie.

Die volle Gattung Mensch, sie schwelgt im Bann vergangner Zeit.
Und der Stolz der Gehwegplatten türmt sich zu Erhabenheit.

Grimentz Dorf & das zweitausendeinunddreißigste Gedicht

Im alten Dorfkern von Grimentz

Transhumanz (Der Wächter)

Nach dem Lehrer folgt nun auch der Priester dem Tross
Hoch hinauf zu den satteren Wiesen.
Eine letzte Tür fällt mit Geknarr in ihr Schloss
Und der Herr wird noch einmal gepriesen.

Meine Wacht wird der Stachel der Einsamkeit quäl'n
Bis zur Rückkehr von kürzeren Tagen.
Derweil werd ich mir selbst was von Heimat erzähl'n
Beim Zertreten der Saat aller Fragen.

Neubautradition & das zweitausendneunundzwanzigste Gedicht

Wohlgemeinte Wohnhäuser in Naters

Schweizer Beton

Schweizer Beton ist der derbste der Derben -
Der brüllt in die Landschaft: "Get ready for sterben!"
Schweizer Beton ist der grauste der Grauen -
Der scheint sich von selbst ständig weiter zu bauen.
Schweizer Beton ist der grellste der Hellen -
Der negiert die geringsten Verwitterungsstellen.
Es lädt solch Beton scheinbar ein zur Bewohnung -
Doch hüte dich vor einer falschen Betonung!

Unberührtes & das zweitausendsechsundzwanzigste Gedicht

Idyll in Grimentz Bendola

Alpenausschreibung

So viel Platz für Skigebiete,
Quell der Liftbetreibermiete!
So viel Pistenpotentiale
Wie für Straßen, hoch vom Tale!
So viel Stille, Rückzugsorte -
Die man opfern will dem Sporte,
So viel Zu-mehr-auserkoren!
Doch was fehlt, sind Investoren.

Bella Tola & das zweitausendeinundzwanzigste Gedicht

Auf dem Weg zum Bella Tola Lift im Gebiet St. Luc/Chandolin

Ins Ungespurte

Wenn Weichheit immer leiser klingt
Und sanfte Einschlafweisen singt,
Will ich von Seelenruhe schwafeln,
Am Tisch der Esoterik tafeln ...
Schon wollen mich alle Bäume umarmen,
Es schreibt jeder Schneeflockenfall meinen Namen!
Und mich verschlingt der Pulverschnee,
Dessen grundkühle Sprache ich plötzlich versteh ...

Stockalper Schloss & das zweitausendneunzehnte Gedicht

Das Stockalper Schloss in Brig

Schlossworte

Ein Schloss, sehr beschaulich,
Spricht: "Los, Spross, beschau mich!
Bewunder meiner Zimmer Zahl
Und das, womit ich immer prahl:
Türme, Mauern - abzuwehren
Würmer, Bauern, die sich wehren!
Aufstand? - Oh, so trau Er sich:
Dann wird's richtig schauerlich!"

Dreigestirn & das zweitausendfünfzehnte Gedicht

Marienplatz im München, Skyline

Flaute

Für die paar Zentimeter, die wir uns bewegen,
Ist noch keine Entfernung vorhanden.
Wir veratmen die Lüftchen, sobald sie sich regen,
Ohne Aussicht, an Ufer zu landen.
Ob Sonne, ob Wind unsre Körper auslaugt -
Für uns fühlt sich's an, als sei's gleich.
Nun haben wir so lang die Nautik gepaukt,
Doch leben wie einst hinterm Deich.

Verödeter Arm & das zweitausendelfte Gedicht

Auf einer Isarinsel am Flauchersteg

Pfützenpoem

Es ist so, dass die Pfütze von Wolken erzählt -
Bloß in 'ner recht schmutzigen Sprache.
Euch geht's darum, welche Vokabeln man wählt,
Um die Durchsichtigkeit jeder Lache.

Es mag sein, dass so manches den Himmel verfehlt,
Aber stört's die Beschreibung von Wasser?
Wie lang man nun umständlich Umlaute zählt -
Das Ergebnis ist auch nicht viel nasser.

Meine Boosterung & das zweitausendsechste Gedicht

Blick aus dem Warteraum im Impfzentrum Ruppertstraße

Fünfzehnminuten

Die fünfzehn Minuten nach Boosterung will ich
Gern sinnerfüllend nutzen.
Nur riet man vorab mir, ich solle bloß chill'n - nich
Den Flur im Vorraum putzen.

So starr ich aufs Linoleum,
Wo manch Wisch scheint vönnöten!
Schon ist die Viertelstunde rum -
Und mir ward's eh verböten ...

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