Nymphenburger Kanal & das achthundertzweite Gedicht

Eis auf dem Nymphenburger Kanal

Zuvor aber

Schenkst du mir noch was Zeit, gib nie mehr als zwölf Stunden
je à drei Minuten wie Box'n'Stop-Runden
Für mehr fehlt mir die Übersicht

Dann spul' ich ab mein Antrainiertes
stetig in die Welt Verirrtes
Der Drang nach mehr berührt mich nicht

Hab' geschenkten Tagen nie ins Maul geschaut
Was hätt' es zu sehen gegeben?
Mir schien das Gewonn'ne stets vorverdaut
Es gibt zu viel Gutes im besseren Leben

Wir haben das Gestern nicht halten können
Was gölte es nun, dieses Jetzt zu bewahren?
Dem Fremdeln und sich eine Auszeit zu gönnen
scheint fast das Geringste nach so langen Jahren

Nur, dass ich jetzt auf See erblinde
ist ein Wortwitz, den so wirklich niemand hier braucht!
An Bord war ich Sir Helmut Schmidt
hielt den Blicken der Kinder stand: "Guck mal, der raucht ...!"

Und nun plitscht es und platscht es
durchnässt mir die Planken
zerrt beidseits zur Reling
in rhythmischem Wanken
von Zwischenhochs und Niederlagen
da mir die letzten Stündleins schlagen

Das Leben, wenn man sauber misst
doch früh schon überschaubar ist
Nur: Werd' ich es kläglich verreckend beenden
oder neckisch ein "Folks, bin in Sehnot!" versenden?

Nichts Genaues weiß man nicht
Bei Seegang. Ohne Augenlicht

Hey,
wir sind nicht auf See, Kerlchen – das sind die Berge!

Du mummelst hier rum, summst um Abgang und Särge
und kredenzt die erbärmlichste Unform von Blindheit
– bitte nicht zu erklär'n via Schwierige Kindheit!

Dein selbstausgebrütet-behütetes Leiden
sich brunftig am eigenen Unheil zu weiden
ist lebensmüder, trüber Stuss!

Denn Zeit, die bleibt, ist Überfluss
Ob ein Tag, ob ein Jahr – ist doch letztendlich schnurz
Wenn du jetzt nicht beginnst, ist sie immer zu kurz

Und dein ewiges Plan-Schmieden macht es nur schlimmer
Drum hau rein – und mach schnell
Heute. Morgen. Und immer