Bahnhof Niederhone & das fünfhundertelfte Gedicht
Frisch von einem Tourwochenende zurück, beginne ich die Gedicht-Woche mit einem Ripostegedicht, das sich die Zuschauer meiner Lesebühne Poetry & Parade gewünscht haben. Neckischerweise gelüstete ihnen nach einem Antwortgedicht zu einem nicht-existenten Text, nämlich "Max und Moritz" von Wilhelm Busch. Crossover-Wünsche erzeugen Crossover-Lyrik:
Eine maxistische Romitze
Als sie fast acht Streiche miteinaden
Vollbracht unter mancherleuts Buh'n
Kam Ihnen das Subversive abhanden
Wie andern Witwen ein Hahn oder Huhn
Menschen necken, Tiere quälen,
Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen,
Das war früher angenehmer
Anerkannt als Prüfungsthema,
Juveniles Sich-Probieren
Will die Welt ja akzeptieren
Doch dies wandelt sich zum Bösen
Wenn man Kind schon längst gewesen
Sie sahen sich an und wussten nicht weiter
Versuchten sich an alter Kinderei
Man war ja bereit und wurd immer bereiter
Man tat bisher, doch empfand nichts dabei
Das Ritzeratze! voller Tücke,
Füllt nicht mehr die Sinnes-Lücke
Und das Schneider, meck, meck, meck! -
Scheint ein schaler Daseinszweck
Auch der Pfeiffen stopf, stopf, stopf!
Sättigt keinen hellen Kopf
Der schon bald verkommt zur Fratze
Trotz der Käfer, kritze, kratze!
Man winkt ab statt gekonnt aus dem Fenster zu schiffen
"Ach, wen trifft's schon in unserem Viertel nach vier?"
Die Zeit in dem Kaff, die verbracht man mit Kiffen.
Nebenan übte Lehrer Lämpel Klavier.
Max klagt Moritz: "Wehe, wehe
Ob ich das noch lang durchstehe?
Unsre Streiche sind doch Kacke!"
Drohend klingt's schon Rickeracke!
Von der Mühle, die die beiden
Schier zergrübelt über Leiden
Jeder krault sich noch ein Ei
Und wünscht sich den Tod herbei
Jeder denkt, die sind perdü!
Aber nein! - Noch leben sie!
Auch wenn's dünkt, es sei vorbei
Mit der Übeltäterei
Sie ging'n oft ins kleinste Kittchen am Ort
Manch Richter schien das so zu passen
Als Insassen war'n sie kaum fort, wieder dort
Sie sassen für alles, mit Ausnahme Mord
Und konnten es einfach nicht lassen.