Badewasser & das zweihunderteinundsiebzigste Gedicht

Isarwehr

Spielverderber an der Isar.

Dogmendog

In Sommerfrischen denke nicht / an Kirchen im November!
Weil deren Todesnähe ist / durch Phantasie nicht dämmbar
Lass dir kein X für's U andreh'n
Setzt auch die Welt aufs Schnellversteh'n
Und schreibt auf Fassaden "Hier: Vier dünne Risse!"
So steht es im Sketch-Bxch, ist gleichsam Kulisse
Bleib das, was du denkst - wenn auch alles vergisst
Dass längst noch nicht November ist

Publikum & das zweihundertsiebzigste Gedicht

Fesselballon über dem Englischen Garten

Oben: Idylle. Unten: Abgründe.

Poetry Slam

Diese Masse an Menschen! Und alle verdauen!
Wie sollt' als Ästhet ich mich nun noch getrauen
In diesen Morastpulk mein Lied zu versenken
Da alle an Glied- oder Scheidenstrom denken
Um schon in der Pause ein Meer voller Pisse
In Kübel zu strullern? Wo ich doch gewisse
Ideale von Schönheit zu gern propagiere ...
Vor Körpern, den'n Kotknetung und Uriniere
Das einzige Gebot der Zeit
Führt solcher Anspruch bloß zu Leid

Drum geh nicht den Weg über weit're Verkopfung
Sondern quäle die andern und sorg für Verstopfung!

Worms & das zweihundertneunundsechzigste Gedicht

Worms

Zu Gast bei den Nibelungenfestspielen. Mit dem dritten Teil des Buches:

Die Hagen-Klage

Hagen, oh Hagen - welch hässlich Betragen!?
Dir bleibt zwar das "Sehr Gut" in Leute-Erschlagen -
Doch kannst Du mir sagen, was das hier jetzt soll,
Du notorisch grimmer und grollender Proll
Aus der B-Prominenz der burgundischen Garde?
Ey, ich mag das kaum glauben - hast Du wirklich jetzt grade
Dem Bübchen von Etzel den Kopf abgeschlagen?!
Was? ... Dich nerven halt manchmal die Hunnensohnblagen!?
Klar, und schnell noch den Erzieher entsprechend verkürzt,
Nen Spielmann per Handschlag ins Unglück gestürzt ...
Wenn Du einen Schlaganfall kriegst, werter Hagen,
Endet manch Körper bald knapp überm Kragen!
Und dann tönst Du vortrefflich: "Jetzt leg ich erst los!" -
Legst Tonnen Innereien bloß.
Das fanden die Nazis zwar knorke wie Bolle -
Doch mir scheint, Du hast Dich nicht unter Kontrolle!?
Woher stammt Deine Lust an der anderen Autsch?
Magst Du drüber reden? Hm? Da steht die Couch.
Zuallererst sag mal: Wo liegt eig'ntlich Tronje?
Ach, das ist eine Grafschaft von Testosteronje -
Ein Landstrich, wo sich stets verbarg
Ein menschenschlag'nder Menschenschlag ...?!
Sag, hat auch Vater Aldrian Dich öfter geschlagen -
War ihm Bruder Dankwart der töftere Hagen?
Hat Mama Dich nicht richtig aufs Töpfchen gesetzt?
Und da damals schon Hass ward gesät, hasse jetzt
Ständig Beef? Junge, ich frag mich: Sind Deine Hiebe
Bloß schief eingesungene Schreie nach Liebe?
Schon alleine, wie Du unsern Gunther umgurrst
Als treueste Vasallenwurst -
So pflichtergeben, ritterlich!
Ey, Hagen, komm - ich bitte Dich:
Für den musst Du Deinen Input aufs Schwert reduzieren
Und Innere Werte aufs Torso-Tranchieren!
Fühlst Du Dich dort im Wormser Land
So als Person auch anerkannt?
Ja, kaum sprech' ich es an, stehst Du voll unter Dampf!

Übersprungshandlung: Reiterkampf!
Schnell zu den Buhurten spurten,
Lanze greifen, Helm umgurten -
Heidenspaß, wenn Schilde krachen -
Garstig schauen, schallend lachen ... Hargh! Hargh! Hargh!

Nun zurück zum Ernst des Lebens -
Kerl, sonst war unsre Sitzung heut völlig vergebens!
Was gar nicht zu bekritteln is',
Dass Du ein 1A-Ritter bis' -
Nur diese ewige Mordlust, Dein Geifer, die Wucht
Schein'n mir wie Symptome von Eifersucht.
Ich weiß, du verneinst es gern wild und entschlossen:
Doch bist Du ein wenig in Kriemhild verschossen?
Es fehlt nur an Wortschatz, dies auszudrücken -
Und so schaffst Du bei and'ren halt Platz überm Rücken.
"Hä, was ey?! - das kannst Du jetzt gar nicht versteh'n?
Na, ich fass mal zusammen, was bislang gescheh'n:
Zunächst missbrauchtest Du schändlichst Kriemhilds Vertrauen,
Um in ihren Gemahl einen Speer zu verstauen:
Auf die einzig verwundbare, tödliche Stelle
Von Siegfrieds durch Drachenblut steinharter Pelle
Hat sie Dir ein Fadenkreuz gesetzt,
Durch das Du ihr'n Mann und dann sie hast verletzt.
Nach dem Mord hast Du flugs ihren Hort noch verschenkt
Und in den Rhein hinein versenkt.
Siegfrieds Schwert steckt seither schick bei Dir in der Scheide,
Auf dass die Kriemhild rischtisch leide...!
Du gönnst ihr nicht den zweiten Gatten,
Magst den'n keen Besuch abstatten ...
All dies "Etzel, nee!" und "Kriemhild, bäh!" zeigt mir, sofern's nicht Feigheit ist,
Dass Du ihr zugeneigter bist
Als Du ... Was ist mit Dir, Hagen, Du zitterst?! 'N Krampf?

Übersprungshandlung: Reiterkampf!
Schnell zu den Buhurten spurten,
Lanze greifen, Helm umgurten -
Heidenspaß, wenn Schilde krachen -
Garstig schauen, schallend lachen ... Hargh! Hargh! Hargh!

Noch mal zurück zum Thema Liebe.
Nun, lassen wir Kriemhild mal weg - gut, da bliebe
Noch Volker. Der Fiedler! Dein Lieblingsgefährte -
Der doch etwas unkritisch von Dir Verehrte.
Von Anfang an prägt das gemeinsame Reisen
Ein krankhafter Drang, sich als Held zu beweisen:
Den Fährmann enthaupten, den Paster ertränken,
Das einzige Schiff für die Rückfahrt versenken.
Dann mit Volker so voll cool vor Hof provozieren
Und neckisch des Etzels Dezenz kommentieren
"Feigling!" - denn, hey, Ihr wollt noch eskalieren,
Hier und da wen massakrieren,
Euch brüderlich im Kampf beistehen,
Hurtig Hunnen niedermähen ...
Du lobtest nun schon - ungelogen -
Wohl zwölf mal Volkers Fiedelbogen.
Und mit dessen Kampfwut fühlst Du Dich so symbiotisch -
Vielleicht auch ein Fitzelchen homoerotisch?
Treibt Euch die Angst vorm Coming-Out,
Dass Ihr so eifrig rammt und haut?
Zerstückelt Ihr im Schwerterfight
Nur unterdrückte Zärtlichkeit?
Und statt als liebende Musen müsst Ihr Euch gebärden
Wie die derbsten Prolls auf Erden?!

Wo ist Deine verwundbare Stelle, Hagen?
Wart, als Dein Psychiater kann ich das wohl sagen
Und näh Dir ein Kreuzchen - Du kennst solch Methoden -
Auf die taube Verbindung von Resthirn und Hoden.
Du sonnst Dich im Selbstgefall'n "Weil ich es kann!" -
Hältst Dich für den rühmlichsten, kraftvollsten Mann
Du huldigst dem "Ehre und Blut"-Ideal -
Doch Tschuldigung, Hagen - das ist nicht normal!
Wer wehrlose Kinder noch munter zerdrittelt,
Der scheint mir doch minder- bis unterbemittelt,
Brutal verspult und widerwärtig -
Ja, einmal kurz durchatmen, ich bin noch nicht fertig!
Die Kampftreue, die Du Dir zu Tugend erhebs' -
Das ist der Nibelungenkrebs!
Dies schmierige im Pathos Suhlen,
und als ein Held herumzuhoolen ... -
Denk nicht, dass die Nachwelt Dich dafür begnadigt!
Zwar ham Dich die Nazis mal stalinbegradigt -
Doch wer in Kampflust versteift, der verlässt diese Welt
Als ein elender Abschaum - nur niemals als Held!
Und es führt auch kein Fluchtweg aus diesem Gedicht.
Und 'ne Übersprungshandlung - die rettet Dich nicht!

Mülheim a.d.R. & das zweihundertachtundsechzigste Gedicht

Wassermuseum Mühlheim an der Ruhr

Wasserturm in der Zweitnutzung.

Die Partyhelden oder Die Gewichtung der Dinge

Selbst ein gutes Gedicht
Bringt es ja nicht ...
Und steht hilfloser in der Welt
Als jeder stinknormale Drink
Und sei es nur das nächste Bier
Das, alter Freund, ich gern mit dir
Auch auf das Wohl der Lyrik trink'
Bleibt sie doch ein Glas, das sein Inhalt erhellt

Maxvorstadt & das zweihundertsiebenundsechzigste Gedicht

Maxvorstadt

Da schwingt wohl eine kleine Fremdsprachensehnsucht mit ... kaum, dass man fünf Tage nur in Deutschland war.

Karwenzig blasst de Avenhumm

Karwenzig blasst de Avenhumm uwer Pickwikkastell
Da einsamst klamm ehn Petersmann im Blottschreif durg de Astel
Sei Wündspalts purgelt furchtersicht, un krähwärts zirrt sei Nassen
Da hebbet sig de Mann un richt: "No kommet Darsteen Kassen!
No kommet he, no kommet he!" - un all da Spritzback bämmst in'n sne'
De Zarm kühn'ns nimmer fassen ...

Verländert geift an letzt Gerück'
Herdorch de Heen von Peters
Da spanend außig alsen Drück
Hinnach flächt dess Gezeters

Larendebt locht de Avenhumm un ab de Lurgen Beime
Von stillerst ward, niet angepelcht - vorkorst de lichten Eime
Un wenzig blasst de Avenhumm uwer Pickwikkastell
Klamm einerter de Petersmann. Im Blottschreif foh'sen Astel!

Sommerpause & das zweihundertsechsundsechzigste Gedicht

Tollwood Festival

Beinahe Urlaub: drei freie Tage in München. Im, aber ohne Sommer

Moose und Mosern

Da atmen die keuchenden Bäume den Staub
Den der sonnendurchdrungene Boden nicht hält
Es senkt sich verzagend vom Zweige das Laub
Dem gilbenden Grase als Frage gestellt:
"Weißt du, ob des Regens belebender Guss
Ist schon auf dem Wege zu uns? Denn sonst muss
Das vom Frühling Erworbene wieder verderben
Und noch als Gedeihendes frühzeitig sterben!"

Da, wie auf ein Zeichen, verfinstern sich Wolken
Werd'n Wasser auf Wasser aus Watte gemolken

Den Pflanzen ist's fraglos erlösender Segen
Nur ich moser' böse: "Den ganzen Tag Regen!"

Leavin' Görlitz & das zweihundertfünfundsechzigste Gedicht

Görlitz at night

Drei Tage Görlitz, Straßentheaterfestival. Abflug.

Nun bin ich manche Stunde

Solch Beschaulichkeit müsste erfunden werden
Um als Ernte der kopfsteingepflasterten Erden
Den Kantenvernarrten in mir zu entspannen
Das aufsässig Drängende sanft zu verbannen
Aus diesem Garten der Nostalgie
Wo die saftigsten Früchte aus Melancholie
Und einstiger Pracht nun im Immerfort reifen
Dass mich deren Düfte wie Ahnungen streifen:

Hier fänd'st du deine Ruh!

Doch brennst halt immerzu ...
Ich trinke genüsslich, gemächlich Kaffee
Erspür' so viel Gründe zu bleiben, doch ... nee!

Nicolaifriedhof & das zweihundertvierundsechzigste Gedicht

Nicolaifriedhof Görlitz

Drei Tage Görlitz, Straßentheaterfestival. Erinnerung.

Epitaph

So lasse ich denn diese Zeilen zurück
Als in Trauer verstetigtes irdisches Glück
Der innigsten Verbundenheit

Verblassend nun zu Ewigkeit

Vorstadt & das zweihundertdreiundsechzigste Gedicht

Görlitz, andere Neißeseite

Drei Tage Görlitz, Straßentheaterfestival. Über Grenzverläufe innerhalb der Stadt.

Stadtkernaufwertung

Da ist der Geruch aus den Kellern der Vorstadt
Der lässt sich nicht globalisieren
Dort liegt noch Terrain, mit dem keiner was vorhat
Sind Flecken und Flecke, die nicht int'ressieren
Bald sind es nur sie, die dich an die Stadt binden

Doch kennst du die Pfade fürs Weiterempfinden
Lässt sich dieser Ort nicht hinfortinvestieren

Verrätergasse & das zweihundertzweiundsechzigste Gedicht

Verrätergasse Görlitz

Drei Tage Görlitz, Straßentheaterfestival. Verrätergasse, Abzweig Brüderstraße. Du hast die Wahl!

Auf- vs. Abstand

Hier die Gasse der Verräter
Falsche Überzeugungstäter
Die, sobald mal sie was melden
Wird zur Straße unsrer Helden

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