Passau & das vierhundertvierzigste Gedicht

Dom Passau

Zu spät

Zu spät kam die Mahnung zur Aufmersamkeit
Wenn früh resigniert jemand "Pass au...!" nur schreit

Nikolaus & das vierhundertneununddreißigste Gedicht

Isarwehr

Ripostegedicht zu "Knecht Rupprecht" von Theodor Storm, dessen abschreckende und erzieherische Wirkung über die Jahre etwas einzusacken droht.

Magd Knappragd

Magd Knappragd hieß das böse Vieh
Ihr Defizit an Empathie
Empfahl sie schon früh
Als mit echtem Vergnü-
Gen züchtigend prügelnde Knechtassistentin
Obschon 's Gottes Sohn echt krass empfand, wenn sie'n
Sperriges Gör mit dem Schlagring bedrohte
Es hieß: "Bei der Knappragd gibt's irgendwann Tote!"

Wo der Rupprecht sich manchmal das Schlagen erspart'
Blieb die Strafe der Magd immer unverzagt hart
Sie nahm mit ihren ehernen Prügel
Die Unartigkeit wahrhaft stramm an die Zügel
Auch entlockten ihr weder Gejammer noch Tränen
Je mehr als ein zähneentblößendes Gähnen
Geriet auch mancher Schaden groß
Die Magd blieb standhaft gnadenlos

Es müssen, ganz klar, im beruflichen Leben
Grad gewalterzieh'nde Frauen
Selbstlos immer alles geben
Und doppelt hart wie gerne hauen

Doch es mehrten sich erstmals auch kritische Stimmen
Dass der Chor der Schmerzensschreie
Vom schändlich adventlichen Blagen-Vertrimmen
Unser Weihnachtsfest entweihe ...

Jahrs drauf - da war autoritär
Plötzlich nicht mehr populär
So dass Magd Knappragds Boss beschloss
Nicht fortzufahren wie bisher
So sehr man's jahrelang genoss
Der Weihnachtsmarkt gäb's nicht mehr her
Man dürfe die Trends unsrer Zeit nicht verschlafen
Und der Nachfragerückgang an härteren Strafen
Sei so eklatant
Dass man letztlich befand
Im Züchtigungssektor 'ne Stelle zu streichen
Denn eine Kraft würde da allemal reichen
Wenn in dieser Phase der Harmonie
Hier jemand zu viel ist, so sicher doch sie

Magd Knappragd, die ja nücht mehr jung
Verstand sich nur auf Züchtigung
Bald machte man ihr klar, sie war
Nicht anderwärts vermittelbar

So musst', da die joblosen Tage sich jährten
Ihr hartes Herz noch mehr verhärten

Und neue Kinder kam'n ins Land
Gewannen gar die Oberhand
Kaum abgeworfen von den Storchen
Wollten die nicht mehr gehorchen
Knecht Rupprecht, der alleine war
Fühlt' alsbald sich 'nem Burn-Out nah
Er rief: Ey, Christkind, überreiz
Hier nicht die Geschichte vom heiligen Geiz!
Diese Gör'n sind so blöd wie verhaltensstur
Kackfrech, gierig und entgrenzt im Verhalten
Hey, wir hab'n doch grade Konjunktur!
Und die Zeit, einen Stellenausbau zu gestalten
Um dann zu vollbring'n, was die Eltern nicht schafften
Die Satansbräten zu entsaften
Jene vorlauten Paschas mit ADHS
Die quenglig-verwöhnte "ich mag nicht"-Comtesse
Die - so wie DU! - egomanisch verdorben!

Nun, Magd Knappragd hat sich auf die Stelle beworben ...

Bahnhof Göttingen & das vierhundertachtunddreißigste Gedicht

Göttingen

Der erste Winter

Wer im Schnee die Meisen tötet
Wird es schwerlich spurlos tun
Jeder Schlachtplatz warnt errötet
Dass die Mörder niemals ruh'n

Schlucken erst die Sonnenblenden
Still und stetig das Verenden
Wird man jeder Wahl verwaisen
Im Jahrhundert ohne Meisen

Überruhr & das vierhundertsiebenunddreißigste Gedicht

Ruhrhalbinsel bei Holthausen

Daheim auf Besuch

Heißt der alte Fluss dich noch immer willkommen?
Strahlt die Sonne nach hierhin doch stärker vertraut?
Wieviel deines Muts hat die Zeit dir genommen?
Was ist als Erinnerung sicher verstaut?

Welcher Urinstinkt hat sich im Fels eingenistet
Und verharrt widersagend dem Erdkugeldreh'n?
Welche Comeback-Optionen sind zeitlich befristet?
Welche Änderung meuchelt das Wiederversteh'n?

Du stellst zweihundert Fragen - und der Fluss hört nicht zu
Denn wie tief du hier eintauchst, weißt ausschließlich du

- Mehr Gedichte zu Heimat, Zuhause und Wohnung -

Sekundenschlaf & das vierhundertsechsunddreißigste Gedicht

Großhesseloher Seeufer

Schlaf im Zug

Es rinnt die verbindliche Mittagsschlafschwere
Ins immergrüne Hirn hinein
Ich taumle in Gedankenleere
Unbeweglich wie ein Stein

Für Sekunden, immer wieder
Senken sich die Augenlider
Und es blitzt ein anschleichleiser
Kurzgeschluckter Appetizer
Der sündig gefüllten Tresore von Schlaf
Die sich halbzertrümmert von Nachholbedarf
Doch erst später öffnen lassen
Zum juchzgestöhnten "Essen fassen!"

Ich trinke derweil einen brüsken Kaffee
Und winke fürs Erste der Wohltat in spe

Forchheim & das vierhundertfünfunddreißigste Gedicht

Forchheim

Ein Froschkeim in Forchheim!

Horch, ein
Storch beim
Forchheimer Markt!

Bringt er uns Babys?

Nee, sein Babe is'
Dort seit gestern
Eingesargt ...

Leipheim & das vierhundertvierunddreißigste Gedicht

Leipheim

Der Heimleib

Der Heimleib steckt des nachts mit dir
Unter deckungsgleichen Decken
Er ist das Beziehungstier
In das wir unsre Glieder stecken

Bodenseenebel & das vierhundertdreiunddreißigste Gedicht

Bodensee bei Bregenz

Morgennebel

Der See ist über die Ufer getreten
Und lichtstrahlberaubt hört man flüchtiges Beten
Der Anraineralten und andren Gestalten
Die superheldsehnend die Fingerchen falten:

"Ihr, die Ihr das Nichtzuvollbring'nde vollbringt
Schier unüberwindbare Gegner bezwingt
Ihr Verfechter und Rächer des Guten auf Erden -
Mögt ihr uns nicht helfen, den See loszuwerden?"

Doch all die Gebete zerwabern im Nebel
Der dräuend über allem hängt
Der See steckt bedrückend in all dem Geschwebel
Das täglich auf die Ufer drängt

Darunter fleh'n sterbende Seelen: "Mehr Licht!"
Doch nichts dringt nach draußen, der Nebel hält dicht

Dornbirn & das vierhundertzweiunddreißigste Gedicht

Dornbirn Weihnachtsmarkt

Das smoothe Märchen von Dornbirnchen

Dornbirnchen hat nur eine Nacht geschlafen
Und das nach ihres Prinzen unzähligen Küssen!
Ich erwähn's nur, damit Sie bei Märchenbedarfen
Nicht immer so mainstreamig auswählen müssen ...

Leaving Liechtenstein & das vierhunderteinunddreißigste Gedicht

Vaduz Städele

Liechtenstein

Bist ein Hort von Schokoladenseiten
Mit 'nem durchgangsverkehrten Pain in the Ass
Und Horden von Japanern gleiten
Von "Willkommen in Liechtenstein!" bis zum "Das war's."
Und stößt du auch ständig an deine Grenzen
Dazwischen spielst du Zampano!
Tust tausend Museen und Skulpturen kredenzen
"Das muss doch teuer sein ...?!" "Iwo."

Land der Bauern und Bänker und protzigen Kirchen
Bist eigentlich ja nur ein Tal ...
Deiner Sorglos-Gelecktheit gedenk ich beim Bierchen
Als drohte ein "Es war einmal ..."

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Frank Klötgen - Post Poetry Slam - immer frische Gedichte & Fotos RSS abonnieren