Neubaugebiet & das eintausenddreizehnte Gedicht

Neubaugebiet am Olympiapark

Der Müllsammler

Dieser Schuh wäre noch zu gebrauchen in anders geordneter Welt
Es schmettert der Sinnöden Fauchen, wenn's feintaktig Ambosse prellt
Die Äcker für schlechtes Gewissen sind unakrobatisch bestellt
In die Böschungen wird nicht gebissen, nur gesinnungsharmonisch gebellt
Hier könnt' sich ein Mögliches spannen über Sterne, Himmel und Zelt
Doch ohne Tat zieht es von dannen - ich bin's, der sich zu ihm gesellt!

Ich hege mein Abseits wie andre ihr Geld
So kann ich in Reichtümern tauchen
Als wäre in anders geordneter Welt
Ein solcher Schuh noch zu gebrauchen

Spurenelemente & das eintausendzwölfte Gedicht

Im Giardino Giusti

Im Giardino Giusti

Im Wuchs
Der Buchs-
Baumhecken
Entdecken sich, verstecken-
Derweise,
Sehr, sehr leise -:
Zwei ungemischte Paare,
Die je das Andere finden
Zum zärtlich sich Verbinden
(Man weiß nun: nicht auf Jahre)

In mancher Gärten Lauschigkeit
Verzehrt's uns nach dem Rausch zu zweit

Und vieles wird zu Spuren
Von abgelauf'nen Uhren

Ostküste & das eintausendelfte Gedicht

Küste bei Malcesine/Gardasse

Ende der Saison

Nun hat der See sich abgekühlt
Der mich fast ein Halbjahr verführt
Dass ich wie im Wahn seine Wasser durchwühlt

Ab heute wir nur noch gerührt

Flammenspucker & das eintausendzehnte Gedicht

Im Giardino Giusti

Gliederfüßer

Den Krabben, die über die Uferbank krabbeln
Schäumt ein schillernder Blasenbehang von der Schnüss
Der gleicht jenem nach einen Lungendürchschüss
Ins kehlige Gürgeln versandenden Brabbeln

Wenn ich durch Mund und Nase schlürf
Bin ich ein Tier mit Blasenwürf?
Vielleicht auch am Verbluten?
Das lässt sich nur vermuten

Castello Scaligero & das eintausendneunte Gedicht

Skaligerburg in Malcesine am Gardasse

In der Fledermauskolonie

Ja, öl' dir die Flughaut, mein Pappenheimwicht!
Nein, ein Schwarm muss nicht intelligent sein!
Allein die Geflogenheit ist unsre Pflicht
Und das ultraschallhell In-die-Luft-Schrei'n

Ich kann dir beim Kopfüberhängen berichten
Von Ausschwärmerei, dass die Sinne sich lichten -
Im Klammheimcode, den niemands Echolot knackt!
Wie du weißt, ruht der Schlafverband nie ...
Und der Höhlenguano, der sich aus ihm kackt
Bleibt zwingende Philosophie!

Als ein Säugetier, dem man die Flugkunst geschenkt
Überlege dir stets, wessen Gunst dich bedrängt
Und öle die Flughaut vor deinem Anheimfall!
Enge darf nur der Aufwärmung gelten!
Misstrau' auch dem Platz, unter dem ich mich festkrall'!
Denn selbstloser Ratschlag ist selten

Arena Verona & das eintausendachte Gedicht

Der Barbier von Sevilla in der Arena Verona

Ein Text für ein weiteren Song vom kommenden dreizehnten Marilyn's Army Album "Zeit zu schrei'n".

Plötzlich Applaus

Plötzlich wollen alle tanzen
Plötzlich woll'n sie alle raus
Plötzlich geh'n sie voll aufs Ganze
Plötzlich ist es dein Applaus
Alle sagen: Ja ich kenn' den!
Alle fragen: Alles klar?
Alle tanzen um ihr Ausseh'n
Alle nehmen dich jetzt wahr
Plötzlich ist es dein Applaus

Plötzlich geh'n sie ab und rufen: Yeaah! Yeaaaah!
Plötzlich schaffst du irgendwas mit Yeaah, Yeaaaah!
Plötzlich zuckt in jedem Move ein Yeaah, Yeaaaah!
Doch das liegt nicht an dir
Es ist nur das Jetzt & Hier
Es ist nur das Jetzt & ...

Plötzlich könn'n sie alles nachseh'n
Plötzlich macht's den'n nichts mehr aus
Plötzlich woll'n sie hinter dir steh'n
Plötzlich ist es dein Applaus
Alle sagen: Muss ma gut sein!
Alle sagen: Is doch wahr!
Alle können's nachvollziehen
Allen ist jetzt alles klar
Plötzlich ist es dein Applaus

Plötzlich geh'n sie ab und rufen: Yeaah! Yeaaaah!
Plötzlich schaffst du irgendwas mit Yeaah, Yeaaaah!
Plötzlich zuckt in jedem Move ein Yeaah, Yeaaaah!
Doch das liegt nicht an dir
Es ist nur das Jetzt & Hier
Es ist nur das Jetzt & Hier

Plötzlich woll'n sie exaltieren
Plötzlich zieh'n sich alle aus
Plötzlich soll es kulminieren
Plötzlich ist es dein Applaus
Alle sagen: Ja, ich kenn' den!
Alle fragen: Alles klar?
Alle tanzen um ihr Aussehen
Alle nennen dich jetzt Star
Plötzlich ist es dein Applaus

Giardino Giusti & das eintausendsiebte Gedicht

Im Giardino Giusti

Die Kameseilie

Von der Einsicht, die Welt würde immer vorangeh'n
Sah ich vier Kadaver versinken
Man konnte ein Leben ihn'n wirklich nicht anseh'n
Doch träum' ich seither vom Ertrinken
Meine Sorge um sie
Führt des Nachts die Regie
Und obschon auch mein Bett Traulichkeiten umsteh'n
Seh' ich um sie Blaulichter blinken

Von dem Mantra, der Fortschritt schlüg' goldene Routen
Sah ich drei Metalle verblassen
Schon wollt' ich dem Kelch kein Getränk mehr zumuten
Erschrocken von gültigen Massen
So als ging's Stück um Stück
Auch schon wieder zurück
Doch waren nicht wir hier und immer die Guten?
Wer könnte grad uns ernsthaft hassen?

Aus dem Glaube, der Drall läs' sich aus den Geboten
Sah ich, wie zwei Seiten sich lösten
Wie läppisch sprach sich das Gedenken der Toten
Bevor sie den Schlachtplan entblößten

Aber eins sah ich noch
Das verhinderte doch
Dass wir mit der Anderen Dämm'rung verrohten

Da wir in die Schlusssequenz dösten

Domkreuzgang & das eintausendsechste Gedicht

Im Brixner Domkreuzgang

Khayyam Replik 2

Für die werten Gelehrten stimmt an eure Harfen
Und ehret ihr Werk zur Erleuchtung von Schafen!
So sehr sie in Finsternis blieben - es scheint
Als könnten wir alle seither besser schlafen!

Cansignorio & das eintausendfünfte Gedicht

Scaliger Grabmal Cansignorio

Verona

Ganz oben ruht stolz wie in Sänften gemauert
Das Rudel der Scaliger Hunde
Ich stürz durch die Piazzas wie aufsaugetoll
Tauch auch in arenige Runde

Was sonst so vom Ewig das Jetzt überdauert'
Kann schwerlich ein Tag ganz erzählen
Da gilt's zum Passieren von Speicher und Zoll
Den prägendsten Ausschnitt zu wählen

Castel San Pietro & das eintausendvierte Gedicht

Blick auf Castel San Pietro

Die aufgegebene Fabrik

Die aufgegebene Fabrik
Flüstert immer noch Worte wie Kapazität
Auslastungsgrad oder Marktpotential
All die Willenskraft schwebt im Jahrhundertaspik
Und gerät in die Strömung vom Nu-is-egal

Des Gebäudes Geschichte ist längstens geschrieben
Und ein Mörtelstrang ragt aus der Wandnostalgie
Die Arbeit ward aus den Maschinen vertrieben
Und harrt auf den Neustart - ich wüsste nicht wie

Geschulterte Vermächtnisse
Ruh'n in unsteten Schreinen der Handlangerei
Untradiert über ein Handmanual
Doch die Fertigkeit stummer Gedächtnisse wiegt
Nur im Hain alter Mauern noch resthaft real

Wie den Eifer und Schliff noch im Guten vergeuden?
Allen Unterschied, den bald schon niemand mehr merkt?
Du wirkst für die Aura von toten Gebäuden
Und wirst von den Damalssekunden gestärkt

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Frank Klötgen - Post Poetry Slam - immer frische Gedichte & Fotos RSS abonnieren