Berlin

Gedichte und Fotos aus der Hauptstadt. Meine Heimstatt von 2002-2014 und schon von daher immer noch mindestens einmal im Monat im Tourkalender.

Aila & das eintausenddreihundertsiebenundzwanzigste Gedicht

Roboter Aila im Futurium in Berlin

Kleiner Trost

Es wird Verluste geben,
Wie jederzeit im Leben,
Uns bleibt nur auszuwählen,
Wie viele davon zählen.

Futurium & das eintausenddreihundertsechsundzwanzigste Gedicht

Das Futurium in Berlin

Als hätte der Herrgott

Schau, mein Schätzchen, merkste, gell:
Heute wird es nicht mehr hell!?
Ein mordend Himmel, drückend gräulich,
Als hätte morgens ohne Scheu sich
Der Herrgott mit dreckigem Arsch auf den Horizont gesetzt
Und ihn schmierig geformt zu dem stickigen Jetzt,
Das sich hoffnungstaub als neuer Tag präsentiert
Und den Schmerz in uns nagt, dass auch nichts mehr passiert.
Später fällt nur noch mehr Regen.

Der Tag hat begonnen und weiß nicht weswegen.

KaDeWe & das eintausenddreihundertfünfundzwanzigste Gedicht

Weihnachtsschmuck im KaDeWe Berlin

Beides geht nicht

Magst du nackert den Kuss eines Nussknackers schmecken
Oder mal mit Genuss an 'nem Busfahrer lecken?

Man weiß ja um den Reiz von beiden,
Drum dräng'n die Herrn dich zu entscheiden.

Schwangere Auster & das eintausendzweihundertneunundneunzigste Gedicht

Haus der Kulturen der Welt Berlin

Sigmund Jähn

Warum ein Gedicht auf Sigmund Jähn?

Weil Dinge lässig fortbesteh'n,
Egal, was die Zeiten verändern.

Weil Erster zu sein zu seiner Zeit
Sich misst bis in die Ewigkeit.

(Ja, den Satz darf man gern auch begendern.)

Berliner Zoo & das eintausendzweihundertachtundneunzigste Gedicht

Gatter Zum Zoo am Berliner Tiergarten

Vom Schreiben

Ich startete im Krickelkrakelsturm meiner Gedanken,
Umarmte dann fast sehnsuchtsvoll die Planken früher Schranken.

Den angewöhnten Bogenstrich hat Tasterei geglättet,
Die kurz darauf mechaniklos zum Bildschirmpunkt geflattet.

Fürs Krickelkrakel brächte ich die Kraft wohl nicht mehr auf -
Im Kerker der Bequemlichkeit verlernt man freien Lauf.

KMA & das eintausendzweihundertsechzigste Gedicht

Wohnhaus an der Karl Marx Allee

Ripostegedicht zu "Im Anfang" von Else Lasker-Schüler, das aus Worten besteht, deren Anfangsbuchstaben viermal den Namen "Else Lasker-Schüler" ergeben.

Else Lasker-Schüler: Ends Los

Als Satans Küsse Else rammten,
Sich chancenlos hart über Lippen erbrachen,
Raunte ein Lobgesangsrequiem samten
Endlose Lehnwörter anderer Sprachen.

Kein Ende rühmt sich christusgleich!
Hundert Übel lebt eine Ruine!
Entsprechend löst sich Elses Leich'
Als korrekt etablierte Routine.

Statt chorgesängig hinzufahren
Übt lieber ein recht eckig' Leben!
So erlebt Lust als Kür eines raren,
- statt cash - hier üblichen Lohns ew'ger Reben!

Krumme Laake & das eintausendeinhundertsiebenundsechzigste Gedicht

Krumme Laake

Schöne Berliner Worte: schau

An den Rändern von Berlin
Stauen sich die Seen.
Brenda spricht zum Gatten Ian:
"Schau, wie schau!" - sprich: scheen!

Schlossparkgiraffen & das eintausendeinhundertsechsundsechzigste Gedicht

Zwei Giraffen von Hans Hennig im Schlosspark Köpenick

Stadtteiler Zweizeiler: Köpenick (Eisern bleiben!)

Wo Köpenicker Köppe nicken,
Sag nie: "Pöh, ihr könnt eh ni' kicken!"

Bode & das eintausendeinhundertfünfundsechzigste Gedicht

Sonneuntergang am Bodeufer

Am Langen See

Dort ruht die letzte Schönheitsspur
Aus altgedienten Zeiten -
Von jetzt kann neue Einsicht nur
Dir gleiche Freud bereiten.

Ein altes Treppenfundament,
Dem das Gebäude fehlt.
Ich kenn noch wen, der das noch kennt -
Der nennt den Ort: entseelt.

- - -

Damit kleine Dinge verschwinden,
Muss wirklich nichts Großes gescheh'n.
Die Zeit lebt vom steten Erblinden -
Auch du bist schon nicht mehr zu seh'n!

- - -

Aufs Seeufer fällt manchen Abends ein Schatten
Von einem verschwundenen Ausflugslokal.

Und die Freude am Spiel, die wir einst darinn'n hatten,
Verdimmt im Anno Dazumal.

Warschauer Himmel & das eintausendeinhundertzweiundvierzigste Gedicht

Warschauer Straße S-Bahnhof

Dem Äther

Radi - Radi - Radio,
Ich drehe am Rad deiner Sendersuche
Und flüchte mich ins Irgendwo,
Getrieben vom seiernden Deutschpop-Eunuche.
Wissend:
In dem Gerausche der Ultrakurzwellen
Gibt's die momentelang richtigen Stellen,
Die wandernd der lot-rote Strich für mich findet
Und Gerättreue kurz an Bestätigung bindet.
Erinnernd:
Die matt hinterleuchteten Stadtnamenskalen
Im Musiktruh'n entströmenden Röhrengeruch,
Die 'nem Dreiersprung folgenden Megaherzzahlen
Am Radiorecorder nebst Bandsalatfluch.
Mixtape-alert auf der Suche nach Stil
Stieß ich tiefnächtens aufs Herz von John Peel,
Gab ihm die Lizenz, mir die Nächte zu stehlen
Mit krudem Kram aus noch verdecktem Gefallen -
Den würde mir Spotify niemals empfehlen!
In solch Algorithmen riecht alles nach allen.
Verklärend:
Auf Grundig und Blaupunkt brach ich dereinst auf
Zu landen an Stränden von neuen Instanzen.
Von Sony und Sharp nahm ich Flotten in Kauf,
Als Worte und Klänge mich lehrten zu tanzen.
Abwehrend:
Du maulst gekränkt, hier fehle die
Probierkraft der Community -
Der autarkische Schwarm sei der Held vom Gedichte!
Das ist vielleicht nicht grundverkehrt,
Mir bleibt's ein Reichtum ohne Wert -
Das wird später deine, nie meine Geschichte.

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