Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

On the road again & das zweihundertsiebenundfünfzigste Gedicht

Olympiapark München

Ach, was war das für eine entspannende Zeit: zehn Tage Tourpause. Und jetzt weiter im Text.

Das Leseband

Es hängt das Lesebändchen stur
Sinnlos baumend, scheinbar munter
Zweckverwaist als Buchmontur
Sich nicht rein, nur rücklings runter

Wie ist noch dieses Buch gewesen
Das ich scheinbar hab gelesen?
Sagt das Band, ich wollt dran denken
Es schnellstmöglich zu verschenken?

Oder meint es: "Gib dem Buch
Einen weiteren Versuch!"
Ist's ein Signal, es sei so schlecht geschrieben
Dass nicht mal sein Bändchen drin hängen geblieben?

Nun war ja des Bändchens ureigener Sinn
Zu zeigen, wie weit ich gekommen bin
Doch mitleidsbefreit sagt das Band jetzt: "Du Tor!
Bist so weit als wie zuvor ..."

Eibsee & das zweihundertfünfundfünfzigste Gedicht

Eibsee

Letzter Tag in München (bzw. nähere Nachbarschaft), bevor es wieder auf Tour geht.

Eibsee

Du bist flüssiger Berg, ein Gedächtnis von Masse
Zu Klarsichtfolie geleetiert
Erstrahlst in opalen-karibischer Klasse
Dass alle Gestelztheit des Lebens gefriert

Ich tu in Demut meine Züge
Und lass mich durch die Felsen treiben
Ich schlucke Kiesel zu Genüge
Und sink gen Gipfel, dortzubleiben

Olympiaturm & das zweihundertvierundfünfzigste Gedicht

Olympiaturm München

Immer noch anderthalb Tage Freizeit, bevor es wieder auf Tour geht.

Der Parasit

Der Schatten der Bäume flüstert leise:
"Leg dich, Dichter, hin zu mir!
Ich bin alt, erhaben, weise ...
Will in ein Gedicht von dir!"

"Nun," sprach ich, "das lässt sich machen
Sollst mein Werkeln heut bedachen!"

Doch dann bin ich eingeschlafen
In des Zwielichts kühlen Hafen
Und trotz treu bescherter Träume
Schrieb ich nie was über Bäume

Hab mich oft dort rumgetrieben
Wegen der Behaglichkeit
Doch sie selbst blieb unbeschrieben

Das tut mir unsagbar leid

Lindenblüte & das zweihundertzweiundfünfzigste Gedicht

Lindenblüten

Noch zwei Tage Freizeit, bevor es wieder auf Tour geht.

Die Linden im Juli

Mit süßer Schwere benebeln die Nacht
Die sich spät in den Blütenduft mischenden Linden
Deren Fertilität mit der üppigsten Macht
Dampft vor honigem Willen ins Frühlingsentschwinden
Schon scheint sich ihr Ruch mit der Nacht zu vereinen
Als Bündnis für die Ewigkeit
Solch stolzer Duft muss doch was Bleibendes meinen
Und sich isolieren vom Feldzug der Zeit ...?

Als Wunsch besteht dies, keine Frage
Im Lindenduft der Juli-Tage
Doch spürst du in ihm auch das bittere Wissen:
Du wirst ihn alsbald schon sehr lange vermissen

Zweihundertfünfzig & das zweihundertfünfzigste Gedicht

Innsbruck

Wer denn da maulte, ich würde ja nur sehr kurze Gedichte in diesem Jahr verfassen, sei auf dieses Gedicht verwiesen. Eines aus meiner Reihe "Die Oscar-Balladen", von denen es bereits die weiblichen Helden-Balladen zu den Filmen Die Eiserne Lady und Black Swan in diesem Blog zu lesen gab. Neben fünf weiteren Gedichten in 5-Minuten-Slam-Länge. Was eine Einladung sein soll, ruhig allen Seiten des Blogs mal einen kurzen Besuch zu gönnen und persönliche Schönheiten ausfindig zu machen!

Jasmin (Blue Jasmin, Cate Blanchet)

Und wieder wird kein Blue Moon gespielt ...
Man sah ja, wie seltsam die Frau sich verhielt
Die unentwegt plappert und ihr Schicksal erörtert
Seit ihr wirkliches Leben die Pleite zerstört hat
Ihr Mann Hal war ein Trickser - sie selbst nie Komplizin
Nur zweifelsrein treue Champagnernovizin
Eine Anrüchigkeit stand für sie weit außer Frage
Doch rutschte dies Bild vor Justitias Waage
All der Basen und Stabilitäten beraubt
Aus dem Rahmen, an den sie so stolz hat geglaubt

Aus purer Gewohnheit fliegt Jasmin Erste Klasse
Doch nie war die Welt für sie knapper bei Kasse
Dass sie sich bei Schwesterchen Ginger einnistet
Die ihr Leben und Lieben im Tristesten fristet
Die sich Hals über Kopf an Gewöhnlichkeit bindet
Und niemals den Weg zur Persönlichkeit findet

Mit zwei völlig belanglosen Blagen als Erbe
Der Scheidung von Augie, der einst dröge wie derbe
Das Klassenbewusstsein Jasmins torpedierte
Dann die Chance seines Lottogewinns investierte
Weil halt Hal windig hohe Renditen beschwor
War er ein Trottel mehr, der da alles verlor

"Ach, da halt' ich mich raus!" hast du stets kokettiert
Für den Grundstein der Villa dich nie interessiert
Nice try, Blue Jasmin! Leider nur
Kam dir das Leben auf die Spur
Denn dein Hal hat nicht nur seine Kunden belogen
Nein, auch dich immer wieder und wieder betrogen

Alle wussten davon - deine Freundinnen eh!
Nur du hast mit Kräften die Welt ignoriert
So schließ deine Augen, glaub weiter und fleh!
Aber spürst du, wie brüchig der Boden dir wird?

Er wird dich verlassen - schläft mit einem Au Pair!
Zieh den Kopf aus dem Sand, hey, du musst etwas tun!
Der Wall deiner Blindheit hält all dies nicht mehr
Und niemand spielt für dich Blue Moon ...

Hal fand man dann in seiner Zelle erhängt
Von Handschellenfestnahmedramen gekränkt
Der Arme ward schwer angeschwärzt
Von jener, die seine Affair'n nicht verschmerzt
Doch folgte Jasmins Intrigieren / unverwandt das Konfiszieren
Ihres hehren Hab und Guts / des unbeschwerten Übermuts
Noch grad so galantvoll im Extravaganten
Ergibt sich das Bild der zum Abstieg Verbannten
Verstoßen durch das, was sie unlängst verlor
Die Villa, den Schmuck und das Kleid von Dior

Im Strudel der Traumata platzt ihr der Schädel
Und das Durchdreh'n beschleunigend, purzelt das Mädel
In die Tiefe vom Nervenzusammenbruch
Ihr Hirn umweht fortan der Schwefelgeruch
Eines schwelenden Brandes im ruhenden Wahn
Auch Prozac-gebändigt schlingert sie aus der Bahn ...

Sie sucht neues Leben, will wieder studieren
Als Sprechstundenhilfe den Plan finanzieren
Sie setzt wieder Kurs, mag sich selber nicht schonen
Erträgt den Computer und Konversationen
Mit verrohten Idioten aus Schrauberwerkstätten
Die siegesgewiss sich ans Schwesternpaar kletten

Und aus der Nähe zu solchem Pack formt sich dein Nein
Und bestätigt, zu Bessrem berufen zu sein
Ach, du schönst doch schon wieder an deiner Fassade!
Mensch, du checkst doch schon wieder im Wirrnisschloss ein!
Für die Fadheit des Lebens bist du dir zu schade
Doch bahnt sich der Alptraum den Weg durch den Schein

Denn dein Chef trägt ja plötzlich die bunten Krawatten
Weil er, allmachtermuntert, das Wagbare wittert
Er drängt, deine Hilflosigkeit zu begatten
Ein Bruch, der dein tapferes Standbein durchzittert

Und auch Dwight, der dein Glück neuer Zukunft geküsst
Hast du viel zu viel Stil und Noblesse vorgegaukelt
Wie lang hältst du dich dort noch im Lügengerüst
Das schon mächtig in dämmernder Wirklichkeit schaukelt?

Von Chili wird Ginger sich sicher nicht trennen
Mag der auch verlassen im Supermarkt flennen ...
Denn nach ihrer Flucht in 'ne Party-Affaire
Stellt der Neue mal klar, dass er sie zwar begehre
Doch für das bisschen Gepoppe seine Ehe riskieren ....?
So muss sich auch Ginger zurückorientieren
Nein, für sie führt kein Weg aus dem Elend hinaus ...!
Nur Jasmin sucht sich schon 'nen Verlobungsring aus
Sie spürt einfach: Dwight ist der richtige Mann!
Ach, wie schnell sie das Herz seiner Mutter gewann!

Ich liebe Zinn! - Nein?! Ach, das passt ja perfekt!
Schon wird eine Welt voller Gleichklang entdeckt
Besiegelt mit noch einem Kuss. Ja, nach Wien
Will Dwight mit ihr zusammen zieh'n!
So federt, tablettengesättigt, das Glück ...!
Doch kriecht auch Verdrängtes ins Sichtfeld zurück

Der Zufall schickt 'nen bösen Geist
Den schwarzen Fleck, der Augie heißt
Der breitet feist aus, was von Jasmin verschwiegen
Und Dwight muss von Hal und Sohn Danny erfahren
Als Täuschungen, die für ihn derart schwer wiegen
Dass er schnell beschließt, sich die Hochzeit zu sparen

Und schon wieder gerät dir die Welt aus den Fugen
Du stammelst nur flehend ein hilfloses "Nein!"
Du bist neuen Abgründen nahe genug, denn
Es brechen noch weitere Trugschlösser ein
Der verschollene Danny bekennt, dich zu hassen
Er will die Vergangenheit hinter sich lassen

"Verschwinde aus Oakland und aus meinem Leben!"
Erschrocken erstarrst du, mit innerem Beben
Versuchst dich zu sammeln, den Schmerz zu verdauen
Du atmest tief durch, beginnst Nägel zu kauen

Wie oft fängst du dich noch, eh es wieder zu viel ist?
Längst zeigt es sich doch, dass du viel zu labil bist
Mit wem sprichst du denn da ohne Komma und Sinn?
Schon hörst du entfernt ein Blue Moon, immerhin

Und die Frau, der schon wieder ihr Leben entglitten
Sie irrt einsam, mit Schwester und Stiefsohn zerstritten
Durch die Stadt, redet wirr und verstört alle Leute
Als von Demütigungen getriebene Beute
Angestrengt fahrig, mit Gesten voll Wahn

Und dem Drang, sich durch strähnige Haare zu fahr'n
Doch nichts ordnet sich mehr
Und die Welt bleibt verdreht

Und dies findet nur fair
Wer den Drang nicht versteht
Sich zu strecken nach brüchiger Schönheitsidylle

Um all deine Träume senkt sich nun die Stille
In der die alten Melodien
Nur anteillos vorüberzieh'n

Schon sehr weit entrückt, weißt du, tief in dir steckt
Ein eitler Innenarchitekt

Der entwirft dir die Welt und bald kommt's dir so vor
Als trügst du noch immer dein Kleid von Dior

Zweite Halbzeit & das zweihundertsiebenundvierzigste Gedicht

Isar

Zum Start in die zweite Jahreshälfte ein Gedicht über München, wo ich zurzeit meine längste Auszeit vom Touren nehme, die sich in diesem Jahr ergibt. Zehn Tage. Erst Donnerstag geht's los nach Görlitz ... Übers Wochenende werden dann auch noch die Gedicht 248-250 hier veröffentlicht. Aber erst mal wirken lassen!

Die Münchner

Die beim Protzen etwas ungalanten
Braungebrannten Zwangsentspannten
Auf "Passt scho!"-Modus eingeeicht
Und gläubig, dass es immer reicht

Sonnenbrillen-Chill-affin
"Joa, is denn scho Italieien?"
Pomadige Hallodri-Posen
Und Habewas in Überdosen
Gekleidet nach dem eignen Schrei'n
Heißt's bloß vermeiden, fad zu sein
Sie parken auf Pump in der Sorglosigkeit

Und um sie herum eine Welt voller Neid

Fensterplatz & das zweihunderteinundvierzigste Gedicht

Österreich Bahnstrecke

... und der Blick hinaus auf der Rückfahrt von Klagenfurt.

Der Fensterplatz

Es scheint auf manchen Zugfahrten gegen das Wesen
Aufs Display zu schau'n oder Bücher zu lesen
Selbst das nötige Nickerchen fällt wieder aus
Die Landschaft nervt: "Kuckuck! Mensch, schau doch mal raus!"

Strandbad & das zweihundertneununddreißigste Gedicht

Strandbad Wörthersee

Weiterhin im Strandbad.

Die Schwimmerinnen (und ich)

Bikini-entfliehendes Po-Gebacke
Spitz beschriene Spritzattacke
Rötlich in Nöten geratende Rücken
Triefend nass sich nach den Handtüchern bücken
Bald reglos aalend eingedöst
Bäuchlings verdeckend das Top-Teil gelöst
Achsel-entblößendes Von-sich-Gestrecke
Seufzend gemächliches Anmutsgerecke
Dessen Strahlkraft lasziv schon manch Iris beschien
Auch jüng'rer Herren Phantasien
Und honigmilchchloriger Sonnencremeduft
Entschwebt sich in regungslos bräsige Luft

Ich lieg ausgestreckt da, in frottiertem Gedanken
Auf sonnenerwärmten, schon farblosen Planken
Unter mir einladend schwappende Fluten ...
Doch ewigkeitsheuchelnde Sonnenminuten
Bin abkühlungssatt ich zu nichts mehr bereit
Und schenk' meinem Körper alleine die Zeit

Innsbruck II & das zweihundertsiebenunddreißigste Gedicht

Inn bei Innsbruck

Der Inn. Eine Brücke. Und die Berge von allen Seiten.

Die Berge

Sie luken hier in jede Häuserschlucht rein
Wie abgesetzte Herrscher das tun
Sie halten gebotene Abstände ein
Doch werden sie schon aus Gewohnheit nie ruh'n

Nordkette & das zweihundertfünfunddreißigste Gedicht

Nordkette Innsbruck

Der Blick auf Innsbruck von der Nordkette.

Gebieter der Stille

... und unten lärmt man vor sich hin:
Getösestolz aus Mittendrin

Der dringt nur als verdecktes Wummern
Zur Soundcloud von Insekten-Summern
Denen einzig Vogel-Tirillenz
Grätscht in die Laute-Prominenz

Verhalten hallt mal kurz ein "Muh!"
Von irgendeiner Alm dazu
Ansonsten ist's hier völlig still

Dann schrei ich: "Nur, wenn ich es will!"

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