Haus & Heimat

Gedichte, die dem Thema Heimat und dem Zuhause sowie der Wohnung nebst Interieur zuzuordnen sind.

Hasengraben & das zweitausendzweihundertfünfundachtzigste Gedicht

Der Hasengraben zum Heiligen See im Neuen Garten Potsdam

Retro

Die Sitzecke hat ausgedient,
Die Polster fast zerschlissen,
Die Schrankwand hält den Raum vermint,
Im Sofa schlummern Kissen.

Der Mensch, der für ihr Muster sich
Einst generös entschieden,
Sieht nun mit Stolz, dass nichts verblich,
Nur nicht mehr von hienieden.

Es schlummern hinterm Einbauschrank
Der Ersttapete Reste.
Auch hier schwor man auf sich're Bank -
Zum Einzug nur das Beste!

"Modern trotz Minimaletat"
Ätzt's jetzt aus Hausverwaltern.

Der letzte Klecks von "wie's mal war"
Darf hier in Ruhe altern.

Adenauer-Brücke & das zweitausendzweihundertneunundvierzigste Gedicht

Die Konrad-Adenauer-Brücke nach Essen-Überruhr

Besuch im Daheim

Essen-Überruhr, hört man, verbiete es mir,
Es meinen Geburtsort zu nennen.
Man lädt mich zwar jedes Mal ein auf ein Bier,
Doch nur, um sich von mir zu trennen.

Mich dürstet es so nach dem Wiegengefühl,
In alter Gewissheit zu baden -
Schon schließt tumbes Modernisierungsgemühl
Den letzten verbliebenen Laden.

Man schläfert hier jeglichen Anhaltspunkt ein.
Nur ich kann doch nicht alles erinnern!

Dann bittet man rüde, mich rechts einzureih'n,
Im Rudel von echten Beginnern.

"Ich bin hier geboren!", rumort es in mir
(die S-Kurve immer im Blick),
Geb weder verloren den Ort und das Hier
Und schlurf durch den Ruhrwiesenschlick.

Abgeschirmt & das zweitausendneunundneunzigste Gedicht

Ladengasse in der Altstadt Bratislava

Im falschen Zuhause

Wahrlich, ich führe ein wunderlich Leben,
Das leider verfälscht wird von Fremdrequisiten.
Ja, ich fühlspüre mich deutlich daneben -
Und kann über keinerlei Ding hier gebieten.

Randvoll und unverlangt bin ich umgeben
Von Auswüchsen mir doch versagter Renditen.
Aussichtslos, Blickwerk und Köpfchen zu heben,
Umbaumelt mein Kinn ihr Schild "Mich kann man mieten!".

Förchensee & das zweitausendvierundneunzigste Gedicht

Blick über den Förchensee bei Ruhpolding

Im Endspurt des Streunens

Nirgends zuhause
Und doch nichts vermissend.
Mir zeigt sich jed Bau
Fundamenteunwissend -
Und ich zeig entsprechend zurück!

Zeichen vertrauend,
Scheint Suche mir lässlich.
Ein endloser Stau
Potenziert sich ins Grässlich -
Derweil ich die Zeit überbrück.

Wann ließ das Verlangen vom Glück?
Und was bestimmt, was man vergisst?
Fernab vom Traulich,
Nirgends zuhaus: ich -
Leider auch nirgends vermisst.

Valentinsgewölk & das zweitausendvierundvierzigste Gedicht

Himmel am Olympiaberg

Zur Hängung im Folkwang

Ich grüße die Süße des Wiedererkennens,
Bepuder' die Mieder des Bruder-Bennenens
Und passier' das Spalier der guten Bekannten
Im Stallgeruch der alten Welt.

Die ständige Sammlung bändigt der Alltag
Zum Lämmergesang, den man in jedem Fall mag,
Befächelt vom Lächeln der uns Zugewandten -
Als wär man selbst hier ausgestellt.

Englische Gärtner & das zweitausenddreiundvierzigste Gedicht

Blick vom Monopteros auf den Englischen Garten im Winter

Privatweg - Durchgang verboten!

Es pfählen sich Privatbesitze
Wie Krebsschrot in das Land.
Es ist um jede Zwischenritze
Ein Bieterstreit entbrannt.

Vom strafbezinsten Kontostand,
Da feuert 'ne Haubitze!
Dazu erzählt ein Spekulant
Die ewiggleichen Witze.

Galerie der Schönheiten & das zweitausendzweiundvierzigste Gedicht

Schloss Nymphenburg Galerie der Schönheiten

Holzbeäugtes Wurzelbekenntnis

Erfolgt Erfolg, gilt gleichsam:
Holzgeige, sei Eichstamm!

Inside Nymphenburg & das zweitausendeinundvierzigste Gedicht

Schloss Nymphenburg Festsaal (Großer oder Steinerner Saal)

unstufen

Der Handlauf der Treppe, die Folge der Stufen
Scheinen nicht zueinander zu passen.
Ich habe schon dreimal um Hilfe gerufen -
Vor der Einsicht, ich sollte es lassen ...

Ab hier ist alles vorbereitet
Für Sturz und freien Fall.
Die Gangart, die mich überschreitet,
Herrscht plötzlich überall.

Mole Antonelliana & das zweitausendsechsunddreißigste Gedicht

Blick auf die Mole Antonelliana, dem Wahrzeichen von Turin

Sisyphos unterwegs

Maske, Perso, Impfnachweis -
Irgendetwas vergesse ich immer!
Es stresst mich mein Verschusselfleiß -
Und das wird stetig schlimmer.

Je länger die Liste vergessbarer Dinge,
So bängrer wird mir, dass ich es nicht vollbringe,
Vier Schritte vor das Haus zu geh'n
Und nicht gleich wieder umzudreh'n,
Weil ich, Geld, Handy, Stift oder Tickets vermissend
(und meinen Verstand ob solch Leerstellen dissend),
Fünf Stockwerke rauf muss, zur Wohnung zurück.

Bis ich einst kapier, schier verzweifelnd vor Glück:
"Ich hab meinen Schlüssel ja gar nicht dabei!"

Das wär meine Chance, denn dann wäre ich frei!

Grimentz Dorf & das zweitausendeinunddreißigste Gedicht

Im alten Dorfkern von Grimentz

Transhumanz (Der Wächter)

Nach dem Lehrer folgt nun auch der Priester dem Tross
Hoch hinauf zu den satteren Wiesen.
Eine letzte Tür fällt mit Geknarr in ihr Schloss
Und der Herr wird noch einmal gepriesen.

Meine Wacht wird der Stachel der Einsamkeit quäl'n
Bis zur Rückkehr von kürzeren Tagen.
Derweil werd ich mir selbst was von Heimat erzähl'n
Beim Zertreten der Saat aller Fragen.

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