Erde

Verse für die Melancholiker, denen man Erde, Herbst, Abend, Erwachsenenalter zuordnet.
Die besinnlichen und leisen Gedichte.
Von Aphorismen bis zur Vanitasdichtung.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Kampehl & das eintausendfünfhundertzwanzigste Gedicht

Hof in der Ritter Kalewuz-Ortschaft Kampehl bei Neustadt an der Dosse

Frühherbstdümpeln

Das schon jetzt in den leidigen Winterklamotten
Über-die-scheidenden-Wiesen-hin-Trotten
Träumt ständig vom Mediterranen.

Doch den Kreislauf zu preisen obliegt den Bigotten,
Eh sie verschleißend im Hausflur verrotten
Und mildere Wechsel erahnen.

Unsre rosige Haut müffelt blass, wie gesotten
Von dem Parfum all der Winterklamotten.
Triumphe gilt's nicht mehr zu planen.

Zürichseemitte & das eintausendfünfhundertsiebzehnte Gedicht

Wasserqualität Zürcher See

An stets ereignislosen Tagen

An stets ereignislosen Tagen
Bin ich einfach Leim,
Stell die abgenutzten Fragen,
Such mir einen Reim.

An ereignislosen Tagen
Lob ich mir die Lieb
Und verschöner' mein Versagen
Wie ein falscher Dieb.

An ereignislosen Tagen
Denk ich nicht sehr weit -
Muss den Dom nicht überragen
(Hätt ich auch die Zeit)!

Zu den hier beschrieb'nen Tagen
Schleicht sich ein Gewöhnen,
Um Gedanken und den Magen
Würzfrei zu befönen.

An stets ereignislosen Tagen
Kraul ich Bruder Leim,
Spür sein schnurriges Behagen
Wie ein zweites Heim.

Smaragdanbau & das eintausendfünfhundertfünfzehnte Gedicht

Von der Heydt Statue im Smaragd-Anbau vom Rietberg Museum

Spätsommer

Es knabbert an den Tagen
Ein Mund voll Dunkelheit.
Wie kurz der Sommer war, wenn
Die ungenutzte Zeit
Schreit: Memento Mori, Blätterfall,
Ein Wall von Kältekälte!
(Obgleich ein kurzer Lichteinfall
Mich morgendlich erhellte)

Es knabbert an den Tagen
Die Jahreszeit der Nacht.
Wie kurz der Sommer war, wenn
Du nichts aus ihm gemacht!

Zürcher Savanne & das eintausendfünfhundertvierzehnte Gedicht

Die Lewa Savanne im Zoo Zürich

Lastlos

Unabänderlich mahnt die verflossene Zeit,
Dass weitere Jahre vergehen.
Noch ist der Moment nicht zum Abschied bereit
Und hangelt sich durch sein Bestehen.

Das friedliche Scheiden, in das ich entrück' -
Es schmückt hinter mir Horizonte
Für spätmilde, labende Blicke zurück,
Als ich's noch nicht wertschätzen konnte.

Lewa Savanne & das eintausendfünfhundertsechste Gedicht

In der Lewa Savanne im Zoo Zürich.

Original und Fälschung

Das Originale ist mir heut so fremd,
Ich flirte nur mit den Attrappen.
Die sind von der Verve ihrer Sehnsucht enthemmt
Und versprechen: Mit uns könnt es klappen!

Ich kenn den Geschmack der wahrhaftigen Kuchen,
Kann auf Knopfdruck noch in ihn entschweben,
Muss nicht nach dem Nie-ganz-Erhabenen suchen,
Fühl mich dadurch näher am Leben.

Das Originale behält seinen Wert.
Doch das Wollen beschert uns Verlangen.
Weil der Kundige mitschmeckt, wonach sich‘s verzehrt,
Ist der Weg dorthin schon mal begangen.

Tüpfelhy & das eintausendfünfhundertfünfte Gedicht

Tüpfelhyäne in der Sewa Savanne im Zoo Zürich

Sommerliche Handtuchfläze

Ich will auf diesem Badetuch
Mein Wonnigsein belegen
Und tonnenweise Sonnenschein
Zum Strahlbesuch bewegen.

Oh, derart niederflach gelegt
Bin ich niemals gewesen!
So stahlbeschwert und unbewegt
War ich zuletzt am Tresen,

Frittiere nun hier auf Frottiertem
In dem Duft von frisch Cremiertem:
Körper-, Geist- und Seelenruh.

Ich grüß mein Ich fast wie ein Du.

Vorletzter Tag & das eintausendvierhundertneunundneunzigste Gedicht

Flora auf dem Rheinsteig

Der alte Schankraum

Dass der Tisch und die Stühle da immer noch steh'n,
Wie wir sie - bald sterbend - verließen.
Als plane die Tür noch uns wiederzuseh'n,
Als wüsste sie noch, wie wir hießen.

Man sieht's an dem Alter der Photographien:
Die haben ihr Trinkgeld gegeben.
Der Thrill vom am Stammtisch geschlag'nen Partien
Dräut dunstig in anderen Eben-en.

(Was haben wir die einst mit allem gefüllt,
Was wir für erachtenswert hielten,
Was haben wir wie unter Schmerzen gebrüllt,
Wenn andre zu nachlässig zielten!)

De-platziert von der Zeit stehen unverrückt da:
Die Stühle, der Tisch und der Tod.
Kein spät'res Int'resse kommt uns jemals nah -
Jede Zeit hat ihr eigenes Lot.

Pfalzgrafenstein & das eintausendvierhunderteinundneunzigste Gedicht

Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub

Äußerstes Erinnern

Es schrumpfte die Zeit deine Kindheit zusammen
Auf ein Dutzend probater Momente,
Die je einem großen Erlebnis entstammen,
Das sich jäh aus dem trägen Fluss trennte.

Deine frühe Erzählung ist längst schon beschränkt
Auf ein paar ausgerissene Seiten.
Deren Restauration wird beharrlich bedrängt
Von den Windstößen rasender Zeiten.

Bei St. Goarshausen & das eintausendvierhundertneunundachtzigste Gedicht

Feld auf dem Rheinsteig

Familienpensionen

Das "Guten Morgen!"-Gepfeiffe in Familienpensionen
Erfolgt immer zu laut und zu früh.
Aber trotz seines Einfalls in schmerzhafte Zonen
Wird's wohlig verdaut zum Gebrüh
Der allerabstrusesten Kaffeeversuche.

Und das ist's genau, hey, warum ich euch buche!

Die Abwesenheit allen Strebens nach oben
Lässt in dieser Welt sich nicht hinlänglich loben.
Sicher sah ich schon besser gespieltes Gemeine -
Doch die Bodenhaftung als Wärme-Event
Beschämt das durchdachteste Rundum-Designe
Und schafft Heime, die man vorm Betreten schon kennt.

Moosach & das eintausendvierhundertsiebenundachtzigste Gedicht

Fußgängerüberweg bei Moosach

Urlaub 4

Schon sind alle Fünfe grade,
Schon ist es das zweite Eis -
Sonnenbad, mit Schokolade.
Bald schon ist's vorbei, ich weiß.

Seiten

RSS - Erde abonnieren