Autor & Schreiben

Gedichte über das Schreiben, das Dichten und das Autorendasein.

In der Borstei & das eintausendfünfhundertsiebenundsechzigste Gedicht

Statuen im Zentralhof der borstei München

Geist und Ungeist

Ich kann tausend Mohammed-Spottverse schreiben,
Um dann generös schon aus Zeitnot es bleiben
Zu lassen.

Und hassen
Lass ich mich dafür aus-
Schließlich von Vollidioten.

Denn edlem Geist bleibt es verboten,
Auch nur eine der Gottheiten und Religionen
Von schönem Spotte zu verschonen.

Sckell-Monument & das eintausendfünfhundertsechzigste Gedicht

Das Sckell-Monument auf der Halbinsel vom Kleinhesseloher See im Englischen Garten

Mein Gendern (vor der Heimkehr)

Ich schminke mein Sprechen mit fleißigem Gendern,
Entsprechend gefordertem Formideal.
Fürs eigene Spiegelbild würd ich's nicht ändern -
Dem eigenen Ohr ist Kosmetik egal!

Doch eh ich berechtigte Anliegen schmähe,
Trag ich meiner Äußerei Glitzerstaub auf.
Auch wenn manch Wort ohne dies schöner aussähe,
Nehm ich das mir Läppische lässig in Kauf.

Galant und entspannt spende ich meinen Beitrag
Zu einer fairtrefflich sich bessernden Welt,
In der nach generisch-ästhetischem Einschlag
Der Wunsch nach jed äffischem Umweg entfällt.

Kleine Wolfsschlucht & das eintausendfünfhundertdreiunddreißigste Gedicht

Blick in die Kleine Wolfsschlucht bei Wildbad Kreuth

Schmerzlos

"Hab ich nicht längst schon jeden Schmerz
Mit einem Vers beschrieben?",
Beschwere ich mich himmelwärts,
Schwer pathosübertrieben.

Zum Leidwesen für Schmerzbetroff'ne
Gibt's die weit nach oben off'ne
(Gott ist unser) Richterskala -
Dass du deine Dichtertaler
Dir hienieden auch verdienst

Und nie zu zufrieden grienst!

Koaribik & das eintausendfünfhundertdrittte Gedicht

Am Strand vom Walchensee

Am Walchensee

Um irgendwalchen Silbenseen
Salch Wortgebilde nachzuseh'n,
Muss ich erst schwammig Runden dreh'n.

Obschon Poeten es begrüßen,
Vokabularien zu versüßen
Und sehr auf neue Silben steh'n -
Bei wal-chen schrei ich nich: "Die lieb ich!"
(ach, wol-chen wär doch so ergiebig!).

Doch nach dem Walchenseedurchschwimmen
Kommt nicht umhin man, zuzustimmen
Dem Lob voll Teichbegeisterschwung:

Der See ist 'ne Bereicherung!

Zielfoto & das eintausendfünfhundertste Gedicht

Festung Ehrenbreitstein in Koblenz

Nummer 1.500

Nummer Tausendfünfhundert
In 2020 -
Von Muttern bewundert,
Der Rest ruft: "Er kann's nich!"

Goldsteig & das eintausendvierhundertachtzigste Gedicht

Am Goldsteig Wanderweg im Bayrischen Wald bei Riedlhütte

Verjährendes Gedicht

Die Zeilen in der Erde sind
So unerreichbar da -
Wiewohl kein Wort ich wiederfind',
Ihr Sinn bleibt weiters nah.
Es reicht die Tiefe im Verlust
Von selbst nicht ans Verloren.
Stell dich in seinen Schein, du musst
Nicht extra danach bohren!

Love/Hate & das eintausendvierhundertzweiundsiebzigste Gedicht

Love/Hate-Skulptur am Landesmuseum

Säumiges

Ach, ich gewahrte viel zu spät:
War heut glatt ohne Schreibgerät
Zum Dichten aufgebrochen!

Schon kam da angekrochen:
Ein lang vermisster Geistesblitz -

Den in Ermanglung an Notiz
Ich bis zu meiner Rückkehrstund
(als bloß vom Glück bescherten Fund)
Ins Hirn mir tätowierte,

Derweil ich stur flanierte -

Im Kopf nur diese eine Zeile
Nebst meinem Willen, diese heile
Noch zu Papier zu bringen.

Es sollte mir gelingen.

Doch der Vers, den ich brav hab behalten für Stunden,
Wurd' dann schon recht bald für nicht tauglich befunden.

Sein wahrer Wert war offenbar,
Dass er so sehr gefährdet war.

Gmund & das eintausendvierhundertneunundvierzigste Gedicht

Blick auf den Tegernsee auf dem Höhenweg von Gmund

Am Ufer

Ich möchte längst (und immerschon)
Zur Friedlichkeit gelangen.
Wird sie mich als verlor'nen Sohn
Samt Treueschwur empfangen?
Ich legte ihr die Flügel weit,
Höchst tiefgebeugt, zu Füßen
Und würd' von meiner Ruppigkeit
Sie demutartig grüßen.

Haidhausen & das eintausendvierhundertsechsundvierzigste Gedicht

Brunnen am Weißenburger Platz

Schreiben & Bleiben

Spät in der Nacht noch was zu schreiben,
Gibt diesem Tag die Chance zu bleiben.
Umklafft mich auch herzschwerstes Gähnen,
Schafft's dieser Vers dich zu erwähnen,
Eh du mir sehr betrunken winkst
Und in der Dunkelheit versinkst.

Und Stille füllt den Raum mit Leere.

Von Worten zugemüllte Schwere
Will ich als schwebend mir bewahren
Zum Trost in spät'ren Lebensjahren -

Du wirst mit diesem Tag verweilen
In zwölf recht spät geschrieb'nen Zeilen.

- Mehr Gedichte über das Schreiben, das Autorendasein und die Poesie -

Himmel in München & das eintausendvierhundertfünfundvierzigste Gedicht

Frühlingshimmel bei Schloss Nymphenburg

The medium is the message

Nun hat über Nacht sich die Sprache geändert
Und der Brief, den ich schrieb, schwatzt verwirrt.
Sein Sinn ist von toter Beschwingtheit gerändert
Und alles verstörungsumflirrt.

Heut spreche ich längst schon in gültigen Worten.
Eine App stellt die Orthographie.
Die Umrandung wähl ich aus fast zigtausend Sorten.
Es sind Schwung und Sinn glücklich wie nie.

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