Alter, Tod & Abschied

Gedichte über das Älterwerden, den Lebensabend, Krankheiten. Und den Tod.

Südblick & das eintausendzweihundertdreißigste Gedicht

Blick auf Essen

Kurs halten

Du hast das Steuerrad tapfer gehalten
Bis zum bittren Moment, da du gingst.
Kurz darauf war wie unberührt wieder beim Alten
All die Richtung, an der du so hingst.

Doch, es kommt auf die paar Grade Unterschied an!
Nein, es ähneln mitnichten sich Wellen!

Man muss sich verpflichten zu sehen - und dann
Die Zeiger der Uhr danach stellen.
Und sei's nur zur Kur dieses eigenen Lebens.
Erscheint's uns auch kurz, war's doch niemals vergebens.

Das eintausendzweihundertachtundzwanzigste Gedicht

26.11. Ostfriedhof / Rudolf Klötgen

... habe ich in das Grab meines Vaters gelegt.

Walhalla & das eintausendzweihundertzwanzigste Gedicht

Walhalla bei Regensburg

Sieb

Heut hab ich die letzte Erinn'rung verbraucht
Und wink ihr seitdem hinterher.
Bin manche Stund' wehmütig in sie getaucht -
Spür Duft und Geschmack nimmermehr.

Entrissen vom Tau, das im Fluss ziellos treibt,
Verbunden allein durch Verlust.
Am End' ist's die Leere, die mir von ihr bleibt:
Ich habe es einmal gewusst.

Petronius & das eintausendzweihundertachtzehnte Gedicht

Heiliger Petronius an den Geschlechtertürmen Bolognas

Die Geschlechtertürme

Alte Damen halten die Kiste in Gang,
Da die Grandpas schon stoisch veröden -
Die spielen die Herzogs vom mindren Belang
Und hampeln durchs eigne Verblöden.

Man muss beim Triumphbogen nicht übertreiben
Und lässt auch beim Pogo zu stumpfe Moves bleiben -
Doch letztmalig bleibt unbemerkt,
Wo sich die letzte Zeit verstärkt.

Bologna & das eintausendzweihundertundfünfte Gedicht

Arkaden von Bologna

Oldschoolferien

Meine treu gehegte Neugier wühlt
Im schwer Bedeutungslosen.
Man klaubt, was sich nach nichts anfühlt,
Und schluckt's in kleinen Dosen.

Was mir die Nachhut offeriert
Als Rausch an Angeboten,
Ist endlos lustlos limitiert -
Ein Jahresplan von Toten.

Wartburg & das eintausendeinhundertvierundneunzigste Gedicht

Die Wartburg in Eisenach

Überbewältigung

Nun, das hat die Zeit einfach verschwinden lassen
Unter den Mantel des Schweigens.
Den Eindruck könn'n Nachrücker nur noch verpassen
Im Kanon des neuen Vergeigens.

Doch wie vielem gebührt es, Vermisstes zu sein
Und was kürt man als Beifang nur mit?
Das Unwerte deiner Vergangenheit ist ein
Dich mit Gegenwart prügelnder Tritt.

Leipheim II & das eintausendeinhundertfünfundachtzigste Gedicht

Am Bahnhof Leipheim

Theseus

Ich habe mein Schiff vor dem Sinken gerettet,
Habe Planke um Planke durch Frischholz ersetzt,
Die Durchlässigkeit mit Lasuren befettet
Und schwimme nun wie runderneuert im Jetzt.

So trägt mich noch immer die alte Gestalt,
Da ich selbstüberholt endlich seetüchtig bin.

Bis mein Kurs sich verflüchtigt im schwellenden Bald
Und kein Wort sich noch fügt auf die Frage "Wohin?".

Rheinbrücke & das eintausendeinhundertachtundsiebzigste Gedicht

Rheinbrücke in Basel

Das alte weiße Mann

Wir sind die letzten unserer Art,
Uns hat es bald niemals gegeben.
Und Raffgier klaubt sich nach Diktat
Das Restlein Überleben.
Die Altbekannte schreit jetzt schriller,
Im Einklang mit neuem Stupiden.

So führt der längst fällige Tod von Godzilla
Noch weiter fort vom Frieden.

Bode & das eintausendeinhundertfünfundsechzigste Gedicht

Sonneuntergang am Bodeufer

Am Langen See

Dort ruht die letzte Schönheitsspur
Aus altgedienten Zeiten -
Von jetzt kann neue Einsicht nur
Dir gleiche Freud bereiten.

Ein altes Treppenfundament,
Dem das Gebäude fehlt.
Ich kenn noch wen, der das noch kennt -
Der nennt den Ort: entseelt.

- - -

Damit kleine Dinge verschwinden,
Muss wirklich nichts Großes gescheh'n.
Die Zeit lebt vom steten Erblinden -
Auch du bist schon nicht mehr zu seh'n!

- - -

Aufs Seeufer fällt manchen Abends ein Schatten
Von einem verschwundenen Ausflugslokal.

Und die Freude am Spiel, die wir einst darinn'n hatten,
Verdimmt im Anno Dazumal.

Kulisse & das eintausendeinhundertvierunddreißigste Gedicht

Kulisse Münchner Straße in der Bavaria Filmstadt

Filmreife

Zwei Rollen Film rollt mir herbei!
Ich mag mich draus entwickeln -
In Dunkelkammermunkelei
Mich aus dem Nebel frickeln.

Im altgedienten Zelluloid
Konnt' ich stets was erkennen -
Im Wert diffus, doch was mich freut:
Es lässt sich nun benennen!

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